Lobenberg: Die Vorselektion aus den Top-Lagen des Hauses, also eigentlich ein klassischer Zweitwein der Grands Crus. Aber Zweitwein wird diesem Stoff kaum gerecht, denn auch er stammt aus rund 80 Prozent wurzelechten, alten Reben. Spontanvergoren und knapp ein Jahr im Holz, gemischte Fassgrößen, alte Barriques und Fuderfässer, aber kein neues Holz, es geht nur um die Mikrooxidation und nicht um die Holzaromatik. Feine hellgelbe Frucht mit kräuterig-grünem Twist. Viel, viel Zitronengras, in Salz und Zucker gewendete Limette, süße marokkanische Minze, schlanker Pfirsich. Eine mehr als köstliche Nase mit viel Rieslingtypizität, Anis und etwas grünem Pfeffer. Der Mund ist saftig und dicht, mit vitaler Säure und intensivem Salz im Nachhall. Straff und dennoch keineswegs karg, tolle Textur. Der ganze Mundraum wird eingenommen, hohe Intensität in gelber Frucht, aber kein fett, es bleibt rassig und von feiner Schieferwürze getragen. Vibrierender, mundwässernder Abgang mit viel Zug und genug Druck, um auch als Speisebegleiter zu brillieren Die leicht herbe Zitrusschalen-Aromatik verbindet sich mit der feinen Phenolik zu einer aufregenden Textur im Mund, die den Speichel fließen lässt. 2021 setzt in Sachen Säure und Pikanz nochmal eine Schippe auf den ruhigeren 2020er drauf. Ein sehr schicker, eleganter und zugleich hochintensiver Moselriesling. 94+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.