Lobenberg: Wie das meiste bei Sauer wird auch das GG im Edelstahl vergoren und ausgebaut, bleibt lange auf der Hefe liegen, wird teilweise auch ab und zu aufgerührt, um mehr reduktive Spannkraft reinzubringen. Sandra Sauer vergärt die GGs mittlerweile spontan, mit allem was dazugehört. Teilweise gären die Tanks also recht lange, da braucht man starke Nerven, aber sie zieht es durch. Die GGs kommen aus dem steilsten Teil des Hangs am Lump, direkt um die Vogelsburg herum. Alte Reben, teils in den 1970er Jahren gepflanzt. Die Spontangärung setzt sich jetzt mit 2024 auch aromatisch langsam merklich durch. Die Weine sind sehr viel ruhiger und eleganter, gehen im Jungstadium schon deutlich mehr zum Bodenausdruck und weg von der überschwänglichen Exotik vergangener Jahre. Das ist kein Holzstil wie May oder Luckert, bei denen die Frucht durch Oxidation abgeschmolzen ist, wir bleiben schon in der Klarheit von Sauer, in diesem glockenhellen Stil. Aber, und das ist seit diesem Jahr spürbar anders, wir gehen mehr zum Bodenausdruck, in die Erdigkeit und den Kalkstein, die Frucht ist karger, helltöniger, in der Jugend deutlich wilder und mineralgetriebener als die fruchtigeren 2023er. Quasi komplett durchgegoren auf unter 1 Gramm Restzucker, also wirklich fränkisch trocken. Sandra Sauers Großes Gewächs ist ernsthaft, herbsaftig, die Frucht ist eher bei ätherischen Agrumenzesten angesiedelt statt in krachender Exotik. Dichter, voluminöser Schmelz über der straffen Mineralität. 2024 ist schon ein faszinierendes Jahr, aromatisch erinnert es eher an kühle Jahre wie 2013 oder 2004, von der Textur her ist es aber viel geschmeidiger und zarter, die Säuren sind cremig und anschmiegsam. Keine Extreme, nichts Grünes oder Stechendes, totale Entspannung, aber eben mit der neuen, fordernden, terroirgeprägten Handschrift von Sandra Sauer. Ich schätze diese Entwicklung sehr, die Weine brauchen mehr Zeit, sind eleganter und in sich gekehrter, aber das kann richtig gut werden.
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!