Lobenberg: Zu 2019 braucht es einige Sätze: Im Frühjahr war mit Austrieb und Blüte sehr spät, ein deutlicher Verzug. Der Sommer war heiß und trocken, wenig Regen, dennoch wenig Wasserstress und kein Stillstand im Weinberg. Es galt darum mit perfekter Laubarbeit Schutz vor Sonnenbrand zu schaffen, alle Toperzeuger haben das 2018 gelernt. Biodynamiker sind zusätzlich gesegnet durch die höhere Resistenz der gesunden Rebstöcke, auch verläuft die Reife etwas rascher. Der späte Austrieb war ein Segen, die Ernte erfolgte 3 Wochen später als 2018. Dazu kamen kalte Nächte im Herbst, die hohen Tag-Nacht-Unterschiede sorgten ganz wesentlich für die überragende Frische des ansonsten perfekt reifen Jahrgangs. Und das bei moderaten 12,5% Alkohol bei allen Rieslingen. Wahnsinnige Spannung und Frische in cremig mineralischer Konsistenz bei hoher Reife. Dazu eine filigrane Leichtigkeit und spielerische Finesse über viel Substanz, ein langes Leben ist diesen aufregenden Weinen sicher. 2010 mit 2018 vereint. Was für ein Jahrgang. Wie kann das sein bei einem so warmen und trockenen Jahrgang fragt man sich? Der Klimawandel macht´s möglich wenn die anderen Begleitumstände, wie zum Beispiel späte Lese und kühle Herbstnächte stimmen und der Winzer in der Weinbergsarbeit die Notwendigkeiten gut und jahrgangsflexibel analysiert und dann zur Perfektion neigt. Aber ich war positiv vorgewarnt von Bordeaux, dieser Charakter der Frische bei totaler Reife zieht sich durch Europa. Perfekt! Dieser Wein kommt aus einer Lage, die ursprünglich Höllenbrand heißt. Ein Premier Cru, der die Fortsetzung des GGs Morstein darstellt und nach Flurbereinigung zum Verkauf stand. Die Lage liegt westlich vom Morstein, hier findet man löss- und lehmhaltige Böden mit Kalkstein und etwas jüngere Reben. Der Wein entfaltet in der Nase viel Power. Er ist nicht so filigran wie die Westhofener Erste Lage oder so ausdrucksstark wie das Niersteiner Pendant. Er ist viel druckvoller, schmelziger, viel massiver. Im Mund eine lustige Mischung aus kandierter Orange, gezuckerter Limette, Boskop und etwas roter Frucht. Große Länge und Power. Alles einnehmend, alle Geschmackssinne werden berührt. Das ist schon eine Granate, ein dichter Kraftwein, wenn man das bei soviel Verspieltheit überhaupt sagen darf. Auf jeden Fall brutal intensiv. Ich könnte mir vorstellen, dass Philipp diese Lage irgendwann zu einem großen Gewächs entwickelt, wenn die Reben älter sind. Dieser 2019er ist einfach nur einer andere Power-Version des Morstein gepaart mit der Aulerde. Das ist massiv, das ist beeindruckend und trotzdem wahnsinnig spannen und aufregend. Ich bin völlig geflasht, gebe ihm dennoch weniger Punkte als den anderen Ersten Lagen, die ob ihrer Ausdrucksstärker und ihrer Einzigartigkeit fast abgehoben sind. 95-96/100