Lobenberg: Das Weingut wurde schon 1830 als Fratelli Dabbene gegründet und 1870 in der drittten Generation in Fratelli Alessandria umbenannt. Hier ist alles noch wie früher. Das Weingut ist in einem charmanten, uralten Haus aus dem 18. Jahrhundert untergebracht, mitten im Zentrum des historischen Ortes Verduno. Es gibt nur zehn Weingüter in Verduno, der Randgemeinde von La Morra in Richtung des Flusses Tanaro. Fratelli Alessandria ist ohne Zweifel der Superstar-Betrieb im Ort und ein reiner Familienbetrieb, in dem Gian Battista mit seiner Frau Flavia, seinem 17 Jahre jüngeren Bruder Alessandro und dessen Sohn Vittore die Weine erzeugt. Vittore ist die achte Generation von Winzern hier. Die Weine werden ausschließlich aus Trauben der eigenen Weinberge gemacht. Das gesamte Weingut hat nur 15 Hektar, die sich auf die besten Lagen von Verduno und Monforte verteilen. Dieser Barolo kommt aus einer nur 1,4 Hektar kleinen Parzelle im Ort Verduno. Es sind über 50 Jahre alte Reben. Monvigliero liegt von Verduno aus weiter nordöstlich, noch näher am Tanaro. Durch die Nähe zum Fluss ist es die kühlste Lage von Fratelli Alessandria, hier gibt es größere Schwankungen zwischen Tages- und Nachttemperaturen, was zu einer längeren und ausgeglicheneren Reifung der Trauben am Weinstock beiträgt. Der Weinberg hat eine Süd-Südwestexposition auf 300 bis 350 Metern Höhe. Heller Kalkstein mit ein bisschen Lehm und Schwemmsand. Der erste Jahrgang dieses genialen Weins der Fratelli Alessandria wurde 1978 gemacht. Die Trauben werden komplett entrappt und nur minimal angequetscht. Vergoren wird im Stahltank für drei bis maximal vier Wochen, mit langem Verbleib auf der Maische. Es wird nur übergepumpt, um den Trester feucht zu halten, die Kerne sinken allesamt zu Boden. Nach der Malo geht es in 2.500-Liter Holzfässer aus slawonischer Eiche, die alle 25 Jahre gewechselt werden. Alle vier verschiedene Barolo von Fratelli Alessandria werden auf diese Art gemacht. Sie sollen das Terroir abbilden – keine unterschiedliche Machart, nie kleines Holz, nie neues Holz. Es folgt ein dreijähriger Ausbau – das machen außer Fratelli Alessandria und Giuseppe Mascarello keine anderen Erzeuger. Ich probiere ein Fassmuster. Beim ersten Reinriechen sind wir hier eigentlich im Burgund – dieser wundervolle Wein erinnert an Chambolle-Musigny 1er Cru. Hier trifft die ultimative Finesse auf grandiose Komplexität und Feinheit. Die verführerische, geniale Kombination der geheimnisvollen Fratelli Alessandria Würze zusammen mit der Saftigkeit dieses Weins ist 2020 einfach unschlagbar. Der erste Schluck berührt mich und ich halte inne. Hier stimmt einfach alles. Das ist sogar so gut, dass man diesen Wein erstmal gar nicht begreifen kann, immer wieder führe ich das Glas zur Nase und genieße. Saftige Kirschen, rote Beeren, Rosenblätter und erdige Würze – aber nicht in die Trüffel Richtung gehend, sondern eher in die Duftigkeit eines Herbstwaldes. Die vielen Tannine sind geschliffen und saftig, obwohl der Wein eine ungemein gute, ja sogar stramme Säure hat. Wenn man sich für einen Lieblingswein für die Insel entscheiden müsste, wäre dieser Monvigliero ganz oben auf der Liste. Man möchte gar nicht mehr vom Glas weg, sondern dieses unglaublich geniale Genusserlebnis einfach aufsaugen. Vittore besteht darauf, dass diese Perfektion allein der Lage zu verdanken sei. Dieser Wein ist im Jahrgang 2020 ein absolut grandioses Meisterwerk der Balance und der hedonistischen Saftigkeit. Und das obwohl Fratelli Alessandria wohl (gerade noch so) als Geheimtipp gilt. Auch der 2019er war ein Wein der Perfektion, aber dieser 20er hat den Regler noch mehr aufgedreht, was die Saftigkeit angeht. Er ist eine große Freude und zudem wird er schon in wenigen Jahren in sein Trinkfenster kommen. 100/100
Der Jahrgang 2020 ist der Mittlere einer Trilogie herausragender, großer Jahrgänge im Piemont. Im Weinberg waren die Konditionen des Bilderbuch-Jahrgangs absolut perfekt. Während der Wachstumsperiode wurden die Reben mit ausreichend Regen versorgt, die Temperaturen waren im Sommer warm und ausgeglichen, ohne Hitzespitzen. Ab September sorgten die kühlen Nachttemperaturen für das langsame, gleichmäßige Ausreifen der Trauben – also hervorragende Voraussetzungen. Wenn man den Jahrgang mit nur einem Wort beschreiben müsste, wäre es »Balance«. Die besten 2020er Nebbiolo Weine sind mit unendlich dichter, manchmal beinahe überwältigend intensiver, umwerfend attraktiver, saftiger, vibrierender, roter Frucht ausgestattet. Sie haben viele, dafür aber unendlich feine, rund polierte Tannine, die harmonisch in diese opulente »Fruchtwelle« integriert sind, ihre rassige Säure verleiht den Weinen neben diesem Tanningerüst zusätzlich ein vielversprechendes Reifepotential. Ob ihrer reifen Frucht werden die 2020er Baroli und Barbaresci dennoch vor den noch intensiver und klassischer strukturierten 2019ern und auf jeden Fall vor den 2016ern in ihr Trinkfenster kommen. Das Barolo Consortium vergleicht 2020 mit dem Jahrhundertjahrgang 2016, aber die Weine haben genuss-technisch sogar noch mehr auf dem Kasten, denn sie erreichen eine traumhafte Kombination aus der ultra-hedonistischen Frucht des Jahrgangs 2018 mit der phänomenalen, klassischen Struktur des Jahrgangs 2019. 2020 ist also »The best of both worlds«.