Lobenberg: Dieser Wein wächst in absoluter Hochlage auf dem Ätna. 2019 besteht er zum großen Teil aus Petit Verdot und zu 3 Prozent aus Cesanese d'Affile. Andrea Franchetti liebte die Cabernet Franc über alles, aber Cabernet Franc würde in dieser Hochlage einfach nicht reif werden. Deshalb hat er sich dazu entschlossen, zusätzlich zu dem von ihm auch sehr geschätzten Petit Verdot, die Cesanese einzusetzen. Die hier übliche Nerello Mascalese, aus der seine anderen Ätna-Weine gemacht werden, hat einfach nicht genug Dampf und Struktur, um gegen Petit Verdot anzukommen. Er würde einfach untergehen. 2019 war ein Wunderjahr in Europa. Nicht, weil es reif ist. Die hohe Reife hatten wir auch in 2018. 2019 ist sehr reif und hat mehr Sonnenstunden denn je in Europa. Aber gleichzeitig ist es ein frischer Jahrgang, weil die Nächte im Herbst sehr kühl waren. Die Nase dieses fast schwarzen Weins in eine kleine Sensation. In Blut gewälzte Orangenschalen. Also Eisen vom Terroir. Die Orange dominiert dabei total. Dazu ganz satte dunkle Zwetschge. Aber nicht süß, sehr strukturiert. Kalkstein, Kreide, Feuerstein. Helle Lakritze, Minze und Eukalyptus. Nicht fett, nur geradeauslaufend. Nur sauber definiert und gleichzeitig multikomplex. Eine extreme Aromatik. Sehr konzentriert, aber nicht marmeladig, etwas Blaubeere. Auch im Mund kommt die Orange an erster Stelle. Dann langsam Eukalyptus und Minze. Tolle Gewürze, Nelken. Brutal intensiv, aber auch wie in der Nase nicht fett oder marmeladig, sondern nur konzentriert und super strukturiert. Orange mit konzentrierter roter Johannisbeere. Fast rote Zwetschge, eingekochte Sauerkirschen. Das Ganze mit Thymian, Estragon, viel Salz und Feuerstein geradeauslaufend. Wie kann man sagen, wenn ein Wein von allem zu viel hat und gleichzeitig auch durchaus schlank und gut proportioniert ist? Delikat – genauso ist 2019. Mit dem riesigen Oszillographen aus der wahnsinnigen Frische und der hohen Reife. Die Tannine sind super geschliffen. Der Wein muss zehn Jahre weggesperrt werden. Aber es ist auf jeden Fall ganz großes Kino. Noch nie war ich so überzeugt von diesem Wein wie in 2019. Andrea Franchetti ist nicht nur bei Tenuta Trinoro ein großer Meister, sondern auch hier am Ätna, wo er dieses Weingut dereinst mit Peter Sisseck zusammen gegründet hat. Seine Nerello Mascalese sind das Beste, das ich vom Ätna kenne. Aber sein Franchetti ist trotz der Petit Verdot auch ein Abbild von diesen vulkanischen Böden. Kraft, Struktur, Länge, unikathafte Ausdrucksstärke. Auf jeden Fall ein riesen Stoff! 99-100/100