Lobenberg: 2020 gab es an der Rhône insgesamt relativ normale Mengen. An der Nordrhône vielleicht sogar etwas mehr als im Durchschnitt. Dort geht 2020 sicherlich als ein Jahrhundertjahrgang in die Geschichte ein. Die Tardieus vergleichen 2020 mit einer Mischung aus dem superklassischen und frischen Jahr 2016 und der Tiefe und Dichte aus 2015. Auf keinen Fall so extrem fett und üppig wie 2018 und 2019, sondern deutlich klassischer. Deshalb ist 2020 aus ihrer Sicht einer der ganz großen Jahrgänge überhaupt an der Nordrhône. Im Norden gab es 2020 keinen richtigen Trockenstress für die Reben, weil es im August ein paar Regenfälle gab. Sie kamen genau zur richtigen Zeit. Die Lese startete deutlich früher als in anderen Jahren. Insgesamt ist es ein saftiger, langlebiger, dichter und reifer Jahrgang, ohne Überreife, ohne übermäßig Fett wie in 2019 und 2018. Ein richtig klassisches Jahr an der Nordrhône, aber klassisch mit einem Plus an einer Form von Reife, die es früher so nicht gab. Ob Norden oder Süden – in Summe ist 2020 an der Rhône ein großes Jahr. Balancierter und harmonischer als das Kracher-Jahr 2019. Le Méal ist eine der berühmtesten Lagen im Hermitage überhaupt. Das gilt für Chapoutier und Ferraton, aber auch für Michel Tardieu, der den größten Teil seines Hermitage aus dem Le Méal holt. Le Méal liegt in der Mitte des Hermitage-Bergs. Der Untergrund ist alluvial, das ist quarziger Kalksand. Flusssedimente, die teilweise auch in Crozes-Hermitage auftreten. Hier allerdings nicht mit viel grobem Stein, sondern eher feiner. Die Lage von Ferratons Le Méal zieht sich komplett rechts von Jaboulet Ainé, in der Nähe der obersten Spitze des Ermitage-Hügels, bis ganz nach unten. Die untere Hälfte wird für den Ermitage Les Dionnières genommen, die obere entsprechend für diesen Wein hier. Aus beiden Teilen werden die jüngeren Reben für den Hermitage Miaux verwendet. Le Méal und Les Dionnières sind also das Beste von Besten. Von beiden Weinen gibt es etwas über 2.000 Flaschen. Le Méal zu Dionnières ist ungefähr das gleiche wie im Cornas-Berg Les Eygats zum Patou. 100 % Syrah oder Serine, wie die uralte kleinbeerige Form der Syrah hier genannt wird. Es werden 15 bis 20 Prozent Rappen zur Fermentation gegeben. Vergoren wird spontan im Beton. Danach wird ganz sanft abgepresst, überwiegend nur der Free Run Juice verwendet. Der Wein bleibt dann bis zum Frühjahr auf der Feinhefe. Der Ausbau dann im neuen und gebrauchten Barrique und im Halbstück. Der Alkoholgehalt liegt 2020 trotz der hohen Eleganz erstaunlicherweise bei fast 15 Volumenprozent, was aber überhaupt nicht auffällt. Ich habe zuvor den Dionnières probiert, der war etwas eindimensional, üppig, reich und fett. Le Méal ist schon im Ansatz ein ganz anderes Parfum. Satte Veilchen, aber eine unglaubliche Feinheit schon in der Nase. Dicht, reich, üppig und gleichzeitig fein und verspielt. Schwarze Kirsche mit Minze. Ein sehr schicker Ermitage. Auch im Mund pure Finesse in schwarzer Frucht. Wow, da muss ich kurz innehalten! Der Wein drückt unglaublich. Aber er drückt in Feinheit, mit total seidigen Tanninen und schwarzer Frucht. Blaubeerschalen, Minze und Eukalyptus von den Rappen hintenraus. Tolle Länge. Aber es ist nicht so ein Blockbuster wie der Dionnières, sondern ein ganz feiner, verspielter und extrem filigraner Finessewein aus dem Hermitage-Berg. Der Wein ist so gut wie 2019, wenn auch ganz anders. Nach 10 oder 15 Jahren wird es ein traumhafter Vergleich sein, 2019 und 2020 nebeneinander zu probieren. Zwei Riesen in völlig unterschiedlicher Ausprägung. Was für ein feiner Hermitage. Très chic! 100/100