Lobenberg: Der Birkweiler Kastanienbusch ist eine der, wenn nicht sogar DIE bekannteste Rieslinglage der Südpfalz. Nach Süden exponiert ist es eigentlich eine warme Lage, die aber durch die Nähe zum Pfälzer Wald auch von kühlen Einflüssen geprägt ist. Die eigentliche Besonderheit ist aber der vorherrschende Boden hier, der in der Form kein zweites Mal in der Pfalz vorkommt – das »Rotliegende«. In das Große Gewächs kommt selbstredend nur das sauberste, handgelesene Traubenmaterial aus den besten Parzellen. Im Keller wird dann auf dem Sortiertisch nochmals selektiert und anschließend vollständig entrappt. Dann Maischestandzeit für mindestens 24 Stunden, um auch die wertvollen Aromakomponenten aus den Schalen zu lösen. Gärung und Ausbau im Edelstahl, um den Fokus auf die pure Frucht zu lenken und einen geradlinigen, straffen Rieslingtyp ins Glas zu bekommen. Terroir steht für Franz eben immer vor Ausbau. Wie alles bei Wehrheim, zudem natürlich aus zertifiziert biodynamischer Bewirtschaftung. Schon in der Nase ist der Kastanienbusch immer eines charakteristischsten GGs der Pfalz, denn es wirkt erstmal gar nicht so pfälzisch mit seiner schieferwürzigen und sehr kräutrigen Nase. Es dominieren Zitrusfrüchte, Orangenmarmelade und Grapefruitzeste, aber auch eine deutliche rotfruchtige Komponente von Johannisbeere haben wir hier mit dabei. Ansonsten ist der Kastanienbusch aber alles andere als eine Fruchtbombe, eher verhalten und zart, aber doch irgendwo auch mit ordentlich Power und Tiefgang. Am Gaumen kickt die rasiermesserscharfe Mineralität dann so richtig rein. Süße Zitrone trifft auf Passionsfrucht und viel Salz. Vibriert und engmaschig mit genialer Textur und Tanninfinish im langen Nachhall. Was für ein großartiger Riesling aus dem Kastanienbusch, bravo liebe Wehrheims! 97-98+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.