Lobenberg: Der Wein sieht dieses Jahr zu einem geringen Teil neues Holz, die Majorität ist allerdings aus 2017, also Drittbelegung. Aus dem Glas strömt eine relativ reiche, fast üppige, blaue Beerenfrucht, Cassis und Brombeere dominieren, hochintensiv und dennoch knackig-saftig-frisch wie der Biss in eine Blaubeere. Obwohl er durchaus druckvoll daherkommt, wirkt er etwas weniger tief als der Vosne-Village, dazu bleibt er mehr auf der klare Frucht und zeigt weniger Gewürznoten. Für Nuits aus einem heißen Jahr ist das eine erstaunlich kühles Nasenbild, sehr floral, Pfingstrosen, Veilchen, Blaubeere, Cassis und etwas Graphit. Im Mund läuft die Blaubeere mit duftigen Veilchen und etwas Lavendel garniert über eine Spur aus frischem Asphalt. Was für eine Eleganz! Erfrischend vertikal und reich an Spannung und Finesse, wozu die feinziselierte, prägnante Säure nicht unwesentlich beiträgt. Saftige blaue Beerenfrucht, so zarte Tannine. Die blaue Beerenfrucht ist berauschend schön in 2022. Etienne Grivot sagt lachend: »Das ist Nuits im Vosne-Style!« Recht hat er. Die Klarheit und Präzision der Frucht sind umwerfend für einen Nuits. Wie das trotz der enorm hohen Reife so erhalten bleibt, ist wohl Grivots gut gehütetes Familien-Geheimnis. Die charmante, alles einnehmende Beerenfrucht wird von berauschender Orangenfrische ins kreidiges Finale überführt, das zugleich vertikal und wollüstig dicht ist. Nuits Saint Georges kann selten delikater gewesen sein. 94-95/100