Lobenberg: Eigentlich ist nur dank eines Mannes, Walter Massa, diese fast spektakulär ausdrucksstarke Rebsorte wieder auferstanden, inzwischen anerkannt als wahrscheinlich die spannendste weiße, autochthone Rebsorte aus dem Piemont. Wenn man vom zugewanderten Chardonnay absieht und dem Arneis zwar zugesteht, dass er schöne, aber nie ganz große Weine hervorbringt. Und auch die Cortese des Gavi steht sicher nicht im Verdacht zu den großen Weißweinen der Welt zu gehören. Timorasso hat allerdings wohl das Zeug dazu. Lange Zeit wurde er nicht beachtet, außer eben von Walter Massa, der ihn wieder aus der Taufe gehoben hat. Inzwischen macht auch Luca Roagna ein vielbeachtetes Exemplar, Coppo benutz leider zu viel Holz, die Cascina Montagnolo ist der qualitativ legitime Verfolger von Massa. Nun versucht sich auch Vietti daran, und zwar eben mit beratender Hilfe des befreundeten Walter Massa, der die Weinberge mit ausgesucht hat. Timorasso hat eine so wunderbare Würze in der Nase, ja fast einen kleinen Stinker in dieser Intensität. Eine Krautwürze mit leichter Gemüsigkeit, Fenchel mit Anis, das ist schon sehr eigenwillig. Das wird nach einigen Jahren Flaschenlager noch deutlicher, klar besser, aber im dann oxidativen Style sicher nicht everybodys darling. Im Mund eine ebenso hohe Intensität, da kommt etwas unreife weiße Birne dazu, Fenchel und Anis bleiben als Hauptkomponenten, Quitte, Lakritz, ein bisschen unsüßer Gewürztraminer im Hintergrund, also durchaus sehr aromatisch. Durchaus eine kleine Reminiszenz an das Elsass, auf welches man hier tippen könnte. Eine wunderbare Frische begleitet den Wein, die Ganztraubenpressung bringt Würze und Spannung dazu. Salz, Anis, Wacholder, Lakritz, Quitte, und im Untergrund diese feine an Gewürztraminer erinnernde Würznote ohne Süße. Das ist ein äußerst spannender Wein. Mit diesem Timorasso hat Vietti nach Jahren des Übens und mit der Hilfe von Walter Massa 2018 erstmalig einen Wein abgefüllt, der zu den wirklich herausragenden Exemplaren des Timorasso zählt. Aber als einer der Top Erzeuger des Piemont will man natürlich auch nicht mit einem Timorasso reüssieren, der nicht direkt eine gewisse Größe hat. Wirklich spannend und eine tolle Bereicherung! Ich hoffe ich bekomme etwas davon ab. Es gibt ja nur sehr geringe Mengen, da alles noch in der Experimentierphase ist. 93-94+/100
Der Jahrgang 2019 ist im Piemont wie auch in vielen anderen Regionen Europas ein magisches Jahr der Perfektion, er wird als klassischer Jahrgang hoch gelobt und im selben Zuge auch hoch bewertet. Viele Winzer vergleichen den Jahrgang mit dem Weltklasse-Ausnahme-Jahrgang 2016, besonders wegen der Tannindichte, Konzentration und Power der Weine. Den entscheidenden Unterschied zu den 2016ern macht aber die Balance der vielen dichten Tannine mit der wollüstigen Frucht, die süßer und saftiger ist als in den 2016ern. Die vibrierend frische, ausgleichende Säurestruktur der Weine sorgt für die ultimative, herausragende Balance. Der hohe Anteil an Polyphenolen bringt dabei vor allem bei Nebbiolo eine gesund leuchtende Farbe hervor, die tiefer und intensiver ist als in den Vorjahren. Im Grunde genommen haben die 2019er den Genuss-Regler lauter aufgedreht als die 2016er, sie sind eine hedonistische Version dieses klassischen Jahrgangs. Trotz all der Saftigkeit und Balance werden die Weine aber einige Zeit brauchen, um in ihr ideales Trinkfenster zu kommen, frühestens ab 2025, idealerweise ab 2028 geht’s los. Die Topweine haben das Zeug dazu, locker 20 und mehr Jahre im Keller zu reifen. Sie sind stramme, elegante Marathonläufer.