Lobenberg: In 2023 gab es weder Frost noch Hagel, ergo eine im Grunde durchschnittliche Erntemenge. Ein weinbaulich ziemlich entspanntes, fast perfektionistisches Jahr. Und diese Harmonie hat sich ebenso in die Weine übertragen, das war 2016 ähnlich. 2023 hat einen klassischen Blend, wie er auf Clos des Papes gepflanzt ist, weil alle Rebsorten gut und gesund getragen haben: 55% Grenache, 30% Mourvèdre, 10% Syrah, 5% Mischpflanzung der alten Regionalsorten. Vincent scherzt, dass es in den letzten Jahren in Châteauneuf das Luxusproblem gibt, dass die Jahrgänge – mit Ausnahme vom etwas anders gearteten und früher zugänglichen 2021 - alle herausragend gut waren seit 2019. Und in dieser Reihe großer, reifer Jahre reiht sich auch 2023 wieder ein. Für Vincent Avril ist 2023 stärker als 2021 und wahrscheinlich sogar einen Ticken über dem herausragenden 2022, aber dafür ist es noch etwas zu früh, um dieses Kopf-an-Kopf-Rennen zu entscheiden. Die Nase des 2023ers erinnert mich an die Fruchtstärke und elegante Opulenz von 2020 mit einem Touch der Frische von 2019. Man wird direkt mitgerissen von dieser fantastischen Aromatik, die sich über dunkelrote Kirsche, rote Pflaume bis hin zu Mango und Orangenschale entfaltet. Dazu ein Touch roter Pfeffer und etwas Valrhonaschokolade. Der Mund ist wuchtig und reif, changiert in dunklere Frucht, die Schwarzkirsche fließt wie Samt und Seide über die Zunge, etwas Thymian und süße Lakritze darunter, ein bisschen Pimentschärfe blitzt hinten auf. Unglaublich schönes Mundgefühl – die Haptik ist genial! Der Wein steht für Minuten. Die Tanninqualität ist noch feiner, noch seidiger als 2022, weil 2023 etwas mehr seidigen Fluss hat. Der Wein ist so zart und geschmeidig am Gaumen, er erinnert mich in seinem Trinkfluss an das Perfektionsjahr 2016, das ähnlich elegant und verspielt war, obwohl es so dunkelfruchtig und total reif ist. Aber die Tannine sind 2023 noch feiner, der Wein noch süffiger als 2016. Der Jahrgang ist früh offen wie das Vorjahr und hat trotzdem darunter die Faust im Samthandschuh. Unglaubliche Tanninfülle, die aber total poliert und geschliffen ist. So ein schicker Wein! Ich verstehe, warum Vincent Avril sich so schwer tut, zu entscheiden, ob er 2022 oder 2023 größer findet. Sie sind so dicht beieinander qualitativ. Es ist ein Segen zwei so extrem starke Jahre hintereinander ernten zu können. Das ist Châteauneuf in Reinform. Vincent Avril ist ein großer Freund davon, seine Weine zu karaffieren. Aufgrund seines sehr hohen Mourvèdre-Anteils ist die Mourvèdre direkt nach dem Öffnen immer vorne, dadurch wirkt der Wein würziger und dunkler als er eigentlich ist. Nach einigen Stunden in der Karaffe übernimmt die Grenache mehr und mehr das Kommando und die Frucht steigt auf wie Phoenix aus der Asche. Was für ein faszinierender Wein!