Lobenberg: Der Hauptwein aus den legendären 7,5 Hektar des Clos de Tart. Rund 55 Prozent Rappenanteile und rund zwei Drittel Neuholz. Für 2022 hat Alessandro Noli entschieden, dass er die Elevage wahrscheinlich etwas länger laufen lässt, etwas mehr als zwei Jahre. Viele Winzer haben sich 2022 wegen der frühen Zugänglichkeit eher für einen kürzeren Ausbau entschieden, weil die Weine schon früh recht fertig und komplett waren. Der Clos de Tart hat aber so viel Power und Ausgangsstoff mitgebracht, dass Noli das Gefühl hatte, der Ausbau bringt noch mehr Komplexität, holt noch mehr raus. Und die Fässer konnten es tragen in 2022 aufgrund der hohen Intensität. Für ihn gilt kühl und lang, das war seine Idee für den Ausbau in 2022. Von der Intensität und Fruchtkraft ist es am ehesten mit 2020 vergleichbar, aber 2022 ist einen Touch eleganter, feiner und vor allem mehr in Balance. Es ist ähnlich früh zugänglich, weil es so eine reiche Gourmandise hat, aber es wirkt ultimativ etwas balancierter und mittiger. Das Schöne an 2022 ist nicht nur das breite Trinkfenster mit früher Zugänglichkeit, obwohl es mit diesen Tanninmassen für die Ewigkeit gebaut ist, sondern auch diese einmalige Balance, die dem Weine diese sagenhafte Gourmandise verleiht. Alles ist an seinem Platz. Es ist total reif und wahnsinnig aromatisch, zugleich aber geschliffen, duftig, elegant und sehr, sehr seidig. Der Wein ist weniger reduktiv-angespannt als der 2021er. Nein, 2022 versteckt wenig, legt direkt den Royal Flush auf den Tisch. Opulenter Beerenduft, dazu süße Gewürznoten, Herbstlaub, intensiver Veilchenduft. Was für ein unglaublich schickes Parfum. Wer Pinot Noir liebt, würde sich das sicher auch auf den Hals sprühen. Schöner geht die Frucht eigentlich kaum noch. Die Komplexität und detaillierte Klarheit für das Terroir und die Feinheiten des Weines sind überraschend, denn das ist in heißen Jahren nicht immer so transparent, vor allem nicht in den Jungweinen. 2018 war etwas langweilig-einheitlich aromatisch in seiner Jugend, braucht sicher einige Jahre, bis man die Terroirdifferenzen genauer erkennt. In 2022 ist aber alles direkt da, weil es eine vergleichbare Transparenz hat wie 2021 aus einem völlig konträren Jahrgang. In dem dunkelbeerigen Tanninteppich kann man sich verlieren, unendliche Massen schieben sich heran, rollen immer wieder hoch. Aber das Tannin ist süß und total ausgereift, es fließt nahtlos über den Gaumen. Die feine kalksteinige Salzspitze lässt das Finale abheben, viel Energie und Frische, ohne dass der Wein so sehr von der Säure angetrieben wäre wie im Vorjahr. Aber gemeinsam mit den Tanninen und der superfrischen, knackigen Frucht ist das ein Energiebündel par excellence. Was für ein Gaumenfeuerwerk. 2022 checkt hier stilistisch irgendwo zwischen 2020 und 2019 ein, also ganz weit oben. Diese furiose Trilogie wird Liebhabern und Sammlern dieses großen, historischen Terroirs noch jahrzehntelang Freude bereiten. 97-100/100