Lobenberg: In einer der besten Lagen der Appellation, hoch oben, mit wunderbarem Blick auf die Gironde, liegt Château Montrose. Der 2020er besteht aus 71 Prozent Cabernet Sauvignon, 23 Prozent Merlot, fünf Prozent Cabernet Franc und ein Prozent Petit Verdot. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings keinen einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Zumal Mitte August circa 80 Millimeter Regen fielen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Der Alkoholgehalt liegt sowohl im Erst- als auch im Zweitwein nur bei 13,5 Volumenprozent. Beide Weine machen jeweils nur rund 40 Prozent der Gesamtproduktion aus. Der Rest ist Drittwein. Die Nase und der Mund des Montrose 2020 erinnert unvermittelt an das klassische 2016 mit ein bisschen Frische aus 2019. Hohe Intensität der Aromatik. Viel rote Frucht, viel Druck aus der Cabernet. Aber gar nichts Grünes, schön reif. Im Mund klassisch. Das ist ganz klar eher 2016 als 2019. Wir haben zwar die Aufregung, das Dynamische, die Vibration aus 2019. Aber eben diese Mega-Klassik aus einem riesigen Tannin-Level – der höchste, der hier je gemessen wurde, zusammen mit 2018. Aber 2020 ist überhaupt nicht zu vergleich mit 2018. Auch nicht mit 2019, denn er ist er im Grunde zu klassisch. 2019 war super Freakstoff, super eigenwillig, »a class of it‘s own«. 2016 und 2020 sind die Klassiker. Vielleicht ein kleiner Touch 2010. Großer Stoff allemal. So wie Cos d´Estournel und Pichon Lalande brauchen diese klassischen Weine des Jahrgangs mindestens 10, 15 Jahre im Keller, bevor sie wirklich schön zu trinken sind. Weil sie einfach ein so gnadenlos hohes Tanningerüst haben. Unglaublich vibrierend und wie ein Laserschwert geradeauslaufend, mit dieser enormen Frische, mit dieser extremen Mineralität, mit dem satten Tanningerüst. Aber der Wein ist reif, ganz ohne Zweifel. Nur hat er so viel Power, dass er jung eher ein bisschen schwierig zu trinken sein wird. Da ist selbst 2016 noch früher zugänglich als 2020. Ein Riesenstoff für die Ewigkeit, für ein langes Leben. Ein bisschen rotfruchtiger als Cos d´Estournel zuvor, ein bisschen mehr Charme, aber den Charme gut versteckend unter dieser immensen Tanninwucht in einem hochreifen, hedonistischen Wein, der viel Zeit braucht. Großer Stoff! Ganz anders als 2018 und 2019. Wie ich schon sagte: 2016 mit ein bisschen Erinnerung an 2010 und sogar an 1990! Und: Geduld, Geduld, Geduld. 100+/100