Lobenberg: 90 Prozent Merlot und zehn Prozent Cabernet Franc. 35 Hektoliter Ertrag pro Hektar. Zu 30 Prozent in neuen Barriques ausgebaut. 13,3 Volumenprozent Alkohol. Der 2021er hat eine sehr reiche und dunkle Nase. Waldbeeren. Obwohl es 90 Prozent Merlot sind und man eher Kirsche erwarten würde, hat es viel dunkle Früchte. Holunder, schwarze Kirsche und Brombeere, auch ein bisschen Cassis. Aber fein. Wuchtig ist es überhaupt nicht, sondern sogar extrem fein, verspielt und blumig. Flieder, spielerisch leicht und ätherisch. Im Mund auch dieses Spielerische wieder aufgreifend. Gar nicht dieses üppige Castillon der Jahre 2015 bis 2020. Der Jahrgang 2021 ist eine enorme tänzelnde Feinheit, sowas Filigranes und Abgehobenes! Schicke Säure hintenraus und für mehr als eine Minute stehend, mit Salz und Mineralität, Kalkstein und Kreide. Wow, was für eine Freude! Wenn auch kein großer Wein, keine Wuchtbrumme, nicht das typische d’Aiguilhe-Gesicht. Ich weiß nicht, wie lange ich d’Aiguilhe nicht mehr in solcher Finesse getrunken habe. Again: Nicht ganz groß, aber sehr sehr schick, sehr ätherisch und filigran abgehoben. 93-94+/100 *** Der Castillon von Stephan Graf Neipperg. Die Appellation hatte in den letzten zehn Jahren eine atemberaubende Karriere. So auch Stephan Neipperg mit seinem d’Aiguilhe. Castillon hat sich zum direkten Verfolger von Saint-Émilion gemausert. Und das zu Recht. Überwiegend Kalksteinuntergrund, Merlot-basierte Weine. *** Wie in den meisten Regionen Europas lautet der Tenor auch in Bordeaux »2021 - zurück zur Klassik!«. Nach mehreren warmen Jahren in Folge kommt 2021 hier mit genialer kühler Eleganz und niedrigen Alkoholwerten um die Ecke. Sehr schick, fein, dabei aber auch so spannungsgeladen – ein absolutes Traumjahr für Finesse-Trinker. Die Weine zeigen viel aromatischen Fruchtdruck bei wirklich reifer Tanninstruktur durch die längere Vegetationsperiode. Ein großes Aufatmen unter allen Winzern, denn das Ergebnis ist quasi die Entschädigung für die harte Arbeit im Weinberg, die die Natur von Anfang bis Ende des Jahres von allen Beteiligten abverlangt hat. Hohe Niederschläge zu Beginn des Jahres, was gleichzeitig aber auch ein Segen für die trockenen Böden war. Dann nochmal ein Temperaturtief im April, schon nach dem Austrieb. Das Bordelais hat es aber nicht ganz so hart getroffen, die Frostschäden waren hier im Mittel nicht so verheerend wie in anderen Teilen Frankreichs, deshalb sind die Erträge insgesamt doch noch zufriedenstellend. Der Merlot ist außerordentlich edel, mit bemerkenswert konzentrierter Frucht, während der Cabernet unglaublich intensiv und frisch ist, was dem Jahrgang große Eleganz verleiht. Vielleicht in einer Reihe mit 2008, 2012 und 2014 mit seinen jung schon so verführerisch zugänglichen Weinen, die aber auch noch eine lange Zukunft vor sich haben.