Lobenberg: Ganze 1,5 Hektar umfassen die Weinberge, die zum Leidwesen Denis Durantous von Eglise Clinet eben inmitten der Rebflächen von Eglise Clinet liegen. Die Familie von Jean-Louis Trocard, in Person des Sohns Benoit, bewirtschaftet die Flächen organisch und händisch in reinster Form. Seit der finalen Eigentumskonzentration auf nur noch einen Familienzweig der Trocards im Jahr 2005 werden hier auf Pomerols bestem Terroir seit einigen Jahren sensationelle Ergebnisse erzielt. Neben den berühmten Namen Pétrus, Lafleur, Le Pin, Vieux Château Certan und Trotanoy wahrscheinlich die kostbarsten Weinberge auf dem Plateau Pomerols. Die Reben, zu 70% Merlot und zu 30% Cabernet-Franc, haben ein Durchschnittsalter von 50 - 60 Jahren und ergeben jedes Jahr nur 6.000 Flaschen. Wir haben hier einen recht lehmigen Boden, weißer Lehm auf Kreide und Kalkstein. Die Reben werden durch den Lehm in trockenen Perioden, wie wir sie auch 2020 hatten, gut mit Wasser versorgt. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings kein einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Zumal Mitte August circa 80 Millimeter Regen fielen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Ausgebaut wird der Clos de La Vieille Eglise in 60 Prozent neuen Barriques, der Rest ist einjähriges Holz. Die Nase erinnert mich lustigerweise sofort an den Enclos Tourmaline der Kwok-Gruppe. Genauso unendlich fein in schwarzer Kirsche. Schöne reife gelbe Mango, gelber Pfirsich. Sehr viel gelbe Frucht hinter dieser schwarzen Kirsche. Feine Veilchennote, sehr süß, aber eher fein als üppig. Großer Chic. Tolle Spannung im Mund. Grandiose Intensität, die Augen ziehen sich zusammen. Eine so intensive Aromatik. Fast burgundisch in seiner Kirsch-Zusammenstellung. Schwarze Kirsche, rote Kirsche, Schattenmorelle, Schlehe. Das Ganze mit heller Lakritze verwoben, mit viel Veilchen und einem salzigen Nachhall. Der Wein wurde vor der spontanen Gärung zu 100 Prozent entrappt. Sonst hätte ich auf einen kleinen Rappenanteil getippt wegen der schönen Minze, aber diese Frische kommt aus der Schale, nicht aus den Rappen. Grandioser Nachhall, ein unglaublich balancierter, harmonischer Wein. Für 2020, mit dieser hohen Reife, mit den seidigen, samtigen Tanninmassen, die total poliert sind, ist es erstaunlich, wie fein, zart, balanciert und schwebend dieser Wein daherkommt. Eine Ode an die Freude. Das dritte Jahr in Folge, dass hier ein ganz großer Wein vor mir im Glas ist. 2020 hat durchaus das Zeug, 2019 in seiner Vormachtstellung zu gefährden. Beide, 2019 und 2020, sind definitiv frischer als der wuchtige, üppige 2018er. Der 2020er ist ein kleines Wunderwerk in Harmonie und Balance. So genial wie 2019 und wie der direkte Nachbar Eglise Clinet. 100/100