Lobenberg: Das junge Ehepaar Barraud arbeitet auch bei anderen Weingütern. Richard ist Weinbergsmanager von Château Haut Batailley in Pauillac. Die beiden Enthusiasten haben ihre 3,5 Hektar Rebberge im Médoc, nördlich von Pauillac, erst 2006 in Betrieb genommen. Château Carmenere, im obersten Bereich des Médoc gelegen, ist in zwischen seit einigen Jahren im Besitz einer optischen Nachsortier-Maschine, die im obersten Qualitätsbereich im Bordelais schon lange bekannt ist. Lasergesteuert, mit Luftschuss-Aussortierung. Diese gebrauchte Maschine kommt von Ducru-Beaucaillou, dort hat man sich neuere Technik gekauft. Das führt zusätzlich zur händischen Auslese zu weiteren 10 Prozent Ausschuss nicht vollreifer Beeren. Die Perfektion schreitet bei Richard immer weiter voran. Er ist im Grunde ein ähnlicher Extremist wie Stephane Dief auf Château Clos Manou. Extreme Weinbergsarbeit in Verbindung mit einer extremen Handauslese mit nachträglicher optischer Auslese. Einer der absoluten Superstars und trotzdem völlig unbekannt. Das Weingut arbeitet im Keller und im Weinberg voll biologisch. Beraten wird es vom besten Önologen des ganzen Médoc, Eric Boissenot, der auch alle Premier Crus berät und betreut. In der Assemblage ist auch immer ein Anteil Carménère enthalten, eine Rebsorte, die diesem Weingut seinen Namen gibt. Sie bringt eine ungeahnte Würze und Authentizität mit sich. Die Weine aus der Rebsorte sind speziell, spezifisch und ausdrucksstark, insgesamt bei den Winzern jedoch nicht so beliebt, da Ertrag und Beeren sehr klein sind. Carménère ist tanninreich und vor allem ausdrucksstark. Die Qualitätsfetischisten stehen auf die Rebsorte. Carmenere 2020 fällt definitiv anders aus als 2019, weil 2020 trotz der hohen Reife noch einmal ein bisschen runder ist, vielleicht polierter und harmonischer. Nicht aufregender, auf keinen Fall besser, aber die Harmonie und die Ausgeglichenheit in der Nase sind schon famos. Lakritze mit Sahne und Schokolade, darunter ein bisschen Schattenmorelle und süße Maulbeere, sehr fein verwoben. Duftig, berauschend schön. Im Mund sind wir dann aber doch zurück in der Klassik, zurück auf den Pfaden von 2019. Hohe Reife und rassige Frische. Sehr intensiv. Das würde man in einer Blindprobe nie für einen einfachen Médoc halten. Das ist schon fast großes Kino und kann durchaus im Mittelfeld von Saint-Estèphe oder aufgrund seiner Stilistik auch von Saint-Julien mithalten. Wunderschöne Schattenmorelle, aber auch süße Cassis, süße Lakritze. Reiche dunkle Schokolade ohne Bitterstoffe. Das Ganze zu großer Harmonie sich aufbauend. Tolle Balance, hohe aromatische Intensität und Länge. Das Ganze endet in steiniger Mineralität und löst sich erst nach zwei Minuten langsam in Wohlgefallen auf, weil die Aromatik so schön ist. Es ist einfach ein hedonistisches Leckerli. Wunderbarer Carmenere. Jedenfalls sehr nah dran an 2019 – gleiche Liga. 97-98/100