Lobenberg: Die 50 Hektar Weinberge von Château Branaire-Ducru sind in kleine Parzellen zerstückelt und mit 70% Cabernet Sauvignon, 22% Merlot, 5% Cabernet Franc und 3% Petit Verdot bestockt. Ich bin ein ausgewiesener, großer Freund von Branaire-Ducru, das ist einer der frühen Weine meiner Wein-Karriere. Diesen Wein verfolge ich seit Jahren und er hatte auch die letzten Jahre einige Erfolge. Ich weiß, dass er sich schwertut, weil das Preis-Leistungsverhältnis von Branaire an einem schwierigen Zwischenspot liegt. Er ist qualitativ nicht in der allerersten Reihe, aber er ist preislich auch nicht wirklich günstig. 2018 war Branaire extrem gut, 2019 einer der Superstars des Jahrgangs. Und 2020? Vom lehmigen Terroir und vom Wetter im Médoc durchaus bevorzugt. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings kein einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Am linken Ufer fielen dann Mitte August circa 80 Millimeter Regen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Und so kommt Branaire-Ducru 2020 mit einer wunderschönen reichen, süßen roten Frucht, mit großer Harmonie. Was für eine Duftwolke! So fein, Rosenblätter, Veilchen, Jasmin, süße rote Kirsche. Nichts Störendes, nichts Raues. Einfach nur hocharomatisch, dicht und charmant. Im Mund die gleiche Feinheit wie 2019. Was für ein schicker Wein! Wunderschöne Rotfruchtigkeit. Saint-Julien in der besten Art. Gleichzeitig 2020 mit dieser Reife, mit dieser wunderbaren Süße. Tolle Länge, der Wein steht für zwei Minuten. Nein, das ist kein Blockbuster, kein Wein, der einen erschlägt. Dieser Branaire ist Saint-Julien in der besten Form. Reif und klassisch, trotzdem geschmeidig, süß und hedonistisch. Ein Leckerli mit großer Klasse. Völlig anders als die beiden Topwerte Léoville Barton und Léoville Poyferré. In 2020 viel feiner, aromatisch-verspielter, trotzdem am Ende auf dem gleichen Level. Noch archetypischer Saint-Julien. Die Appellation at it‘s best! 97-100/100