Lobenberg: Das Haut-Médoc-Château liegt direkt neben Château Lagrange aus Saint-Julien. Dementsprechend eindeutig vom Terroir und der ganzen Ausprägung ein Saint-Julien-Wein. Seit mehr als 10 Jahren wird kräftig in die Weinberge investiert. Das Château gehört zum Négociant CVBG, einem der vier größten Négociants des Bordelais. Somit gehört es auch zum Imperium der Champagner-Familie Thienot. Château Belgrave hat 54 Hektar an Weinbergen in Produktion. In den letzten Jahren wurde hier so massiv in die Anpflanzung der Weinberge investiert. Inzwischen stehen hier 10.000 Stöcke pro Hektar. Der Ertrag liegt dementsprechend bei unter 500 Gramm Trauben pro Weinstock. Eng am Stamm wachsende Träubchen, das ist das Ideal. Das Terroir hier sind Kiesböden mit Lehm, eben identisch wie bei Lagrange. Im Weinberg wird biologisch gearbeitet, aber das Weingut ist noch nicht zertifiziert. Spontane Vergärung, Ausbau in überwiegend neuen französischen Barriques. Château Belgrave ist eines der wenigen als Cru klassifizierten Weingüter der Klassifikation von 1855. Also schon seit dieser Zeit ein erfolgreiches Château, denn die Klassifikation von 1855 richtete sich ausschließlich nach dem damals durchschnittlich erzielten Verkaufspreis. Belgrave profitiert wie viele Médoc und Haut-Médoc Weingüter vom sich erwärmenden Klima, denn hier gibt es durchaus kühle Terroirs. Die mediterrane Wärme bekommt den Weinen hier extrem gut. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings kein einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Am linken Ufer fielen dann Mitte August circa 80 Millimeter Regen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Belgrave, als direkter Nachbar von Château Lagrange, sollte sich normalerweise auf dem gleichen Qualitätslevel bewegen. Was unterscheidet die beiden Châteaus, die auf gleichem Terroir, mit Dichtpflanzung, ähnliche Weine machen? Lagrange ist rotfruchtiger, Belgrave eindeutig schwarzfruchtiger. Viel Cassis, intensive Brombeere und süße Maulbeere. Extremer Geradeauslauf. Veilchen, aber alles versammelt, mit viel Druck. Im Mund ein Knaller, ein Kracher, anders kann ich es gar nicht sagen. Sehr klassisch, mit wahnsinniger Spannung und hoher Intensität. Sehr aufregend! Cassis, Brombeere, Maulbeere und Holunder. Dann kommt in der Nase nochmal etwas Wacholder. Die Veilchen kommen stärker durch, floral, mit Power. Satte, immense Tanninmassen, die aber nicht wehtun, sondern nur extrem präsent sind. Ein extremer Powerwein, der klassisch wie 2009 oder 2010 bereit ist für ein ewig langes Leben. Er braucht etwas Zeit, aber es wird nach zehn Jahren ein phänomenaler Wein sein. Ein perfekter Haut-Médoc, ein perfekter Belgrave. Und sicherlich der erste oder zweite Verfolger von Château Clos Manou. Der beste Belgrave, den ich bisher probiert habe. 97-98/100