Lobenberg: Das Haut-Médoc-Château Belgrave liegt direkt neben Château Lagrange, Saint-Julien. Dementsprechend eindeutig vom Terroir und der ganzen Ausprägung ein Saint-Julien-Wein. Seit mehr als 10 Jahren wird kräftig in die Weinberge investiert. Das Château gehört zum Négociant CVBG, einem der vier größten Négociant des Bordelais und somit gehört es auch zum Imperium der Champagner-Familie Thienot. Château Belgrave hat 54 Hektar an Weinbergen in Produktion. Die Rebsortenzusammensetzung des Erstweins 2019 ist 62 Prozent Cabernet Sauvignon, 35 Prozent Merlot und drei Prozent Petit Verdot. In den letzten Jahren wurde hier so massiv in die Anpflanzung der Weinberge investiert. Inzwischen stehen hier 10.000 Stöcke pro Hektar. Der Ertrag liegt dementsprechend bei unter 500 Gramm Trauben pro Weinstock. Eng am Stamm wachsende Träubchen, das ist das ideal. Das Terroir hier sind Kiesböden mit Lehm, eben identisch wie bei Lagrange. Im Weinberg wird biologisch gearbeitet, aber das Weingut ist noch nicht zertifiziert. Spontane Vergärung, Ausbau in überwiegend neuen französischen Barriques. Château Belgrave ist ein 5eme Cru und eines der wenigen als Cru klassifizierten Haut-Medoc-Weingüter der Klassifikation von 1855. Also schon seit dieser Zeit ein erfolgreiches Château, denn die Klassifikation von 1855 richtete sich ausschließlich nach dem damals durchschnittlich erzielten Verkaufspreis. Belgrave profitiert wie viele Médoc und Haut-Médoc Weingüter vom sich erwärmenden Klima, denn hier gibt es durchaus kühle Terroirs. Die mediterrane Wärme bekommt den Weinen hier extrem gut. Belgrave 2019 hat ein undurchdringliches Tintenblau-Schwarz mit rubinroten Rändern. Eine unglaubliche Duftwolke steigt zunächst aus dem Glas. Zu meinem Erstaunen zuallererst Orangenabrieb und Mango auf satter schwarzer Kirsche und ein wenig Blaubeere. Reife Zwetschge daneben, intensive Massen süßer Lakritze und reifer Cassis darunter. Das ist eine Duftorgie und vom Typ tiefkonzentriertes Saint-Julien. Die Nase erinnert mich an warme Jahre von Léoville Poyferré. Schon der Duft ist großes Kino. Der Mund ist eine üppige, wollüstige, süße, rot- und schwarzfruchtige Orgie. Das ist ganz anders als die stylischen nördlichen Médoc-Weine wie Clos Manou oder Carmenere, Doyac und der an Margaux grenzenden Du Retout. Château Belgrave 2019 ist mit allem was er hat eigentlich ein archetypischer Saint-Julien. Das liegt am Terroir und an der Lage hier. Es ist eine Überversion eines Château Lagrange, den ich immer als archetypischen Saint-Julien beschreibe. Belgrave 2019 hat so viel wunderschöne süße rote Frucht, unterlegt mit den aus der Nase bekannten Mango und Orange. Diese feine Lakritzsüße, die langsam von heller Lakritze in schwarze Lakritze umwandelt. Dazu Pralinen und eine unendliche Verspieltheit. Die Tannine sind total poliert. Nichts tut weh, nichts schmerzt, aber alles ist lange, lange präsent. Feine süße, rotfruchtige und salzige Spur im Finale. Das ist ein Leckerli mit richtig Format. Da müssen sich viele Konkurrenten warm anziehen. Der beste Belgrave, den ich je probiert habe. 97/100