Lobenberg: Besitzer von Château Angélus ist der charismatische Winzer Hubert de Boüard, der mit Bellevue, Fleur de Boüard und Clos Boüard mehrere Eisen im Feuer hat. Die Weinberge von Angélus befinden sich an den unteren Hängen des Mazerat-Tals auf kalkhaltigem Lehm und auf gemischten Lehm- und Sandböden in bester Südlage. Nur die ältesten Reben von über 60 Jahren Alter finden hier Einzug. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings kein einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. 2020 besteht Angélus aus 60 Prozent Merlot und 40 Prozent Cabernet Franc. Der Wein hat 14,5 Volumenprozent Alkohol, der pH-Wert liegt bei 3,65. Für Angélus – wie für alle Top-Châteaus in Saint-Émilion – wird die Cabernet Franc Stück für Stück zur Dominante in den Cuvées. Der Ausbau geschieht auf Angélus inzwischen extrem reduktiv, besonders bei der Cabernet Franc wird nur noch im 3200 Liter Holzfass ausgebaut. Die Weine sind so deutlich reduktiver, sie zeigen deutlich mehr Veilchen und Blumigkeit, weniger schwarze Frucht. Die Familie Boüard hat die Cabernet Franc am 27. und 28. September gelesen, genau vor dem stärkeren Regen. Die grundsätzlich frühere Reife in Bordeaux ist ein großer Segen des Klimawandels. Auf den lehmigen Kalksteinböden ist die Reife auch trotz langer Trockenheit perfekt gegeben. Der Wein zeigt noch einmal floralere Aromen als der auch schon spannende 2019. Er hat Veilchen ohne Ende. Eine Leichtigkeit, mit tänzelnder Finesse. Der Wein ist komplett entrappt. Die ganze blumige Aromatik kommt also nicht aus Rappen, sondern aus der reduktiven Cabernet Franc. Geniale Nase. Das hat nichts mit dem früheren Angélus zu tun. Schwarze Kirsche mit Veilchen. Fein, total poliert, tänzelnd. Im Mund unglaublich fein, wieder diese Blumigkeit. Aber der Wein ist fast zart für Angélus. Eine neue Erfahrung. Der 2019er war auch schon rasiermesserscharf und unglaublich frisch, aber 2020 hat klar eine größere Harmonie, ist klassischer und gleichzeitig floraler, feiner und verspielter. Zusammen mit der großen Reife ist das ein hocheleganter, spannender, tänzelnder Wein. Das ist weit weg von allen Angélus der Vorzeit. Wirklich Premier Grand Cru Classé A. Pavie darf sich abgehängt fühlen. Château Angélus hat aufgeschlossen zu Cheval Blanc und Ausone. Großartiger Wein, großer Stoff. Aber nicht zum Niederkien, sondern einfach nur extrem delikat, fein und mit einer perfekt auf den Punkt getroffenen Harmonie und Balance. Superb! 100/100