Lobenberg: Das ist wieder eine von Aldingers Spezialitäten! Hansjörg und Matthias Aldinger fahren neben den etablierten Weinen vom Vater eine Handvoll völlig experimenteller Weine. Württemberg ohne Krawatte sozusagen. Welch Talent und Frische die beiden in den Betrieb bringen ist grandios. Denn das Weingut selbst ist nach wie vor die Nummer eins in Württemberg, hätte solch wagemutigen Spielereien nicht nötig. Und gerade deshalb ist es umso beachtlicher, dass hier die besten Weine der Region entstehen und der Wandel vom Establishment ausgeht. Die großen Weine sind immer die Grenzgänger wie der ungeschwefelte Trollinger Sine, der Spitzensekt aus dem Hause, der vermutlich zur Zeit der beste Schaumwein Deutschlands ist, Sauvignon Blanc aus dem Betonei oder diesen abgefahrenen Chardonnay Reserve. Letzterer kommt mit einem sehr reduktiven Charakter wie es gerade bei der jungen Garde im Burgund oder im Jura sehr angesagt ist, bitte keinen normalen Chardonnay erwarten, das ist schon ein sehr spezielles Teil. Grüne Walnuss, grüner Speck, ganz helle, feine Holz und Hefeunterlegung, Heu und Schießpulver in der Nase, die völlig von jeglicher Frucht befreit ist. Auch leicht kreidig-mehlige Anklänge. Im Mund sehr pikant, auch hier geradezu fruchtlos, flüssiger Feuerstein mit Kreide, ein ganz klein wenig Zitruszeste kann man hier in der extrem reduzierten Frucht erahnen. Der Abgang wird von pikanter, mundwässernder Salzigkeit begleitet, lang und elegant, rassig, nur geradeauslaufend, aber sehr speziell in diesem fruchtlosen, reduktiven Ausdruck. Das ist quasi flüssiger Stein und etwas für Jura- oder Schäfer-Fröhlich-Trinker, auch Julian Huber arbeitet mit seinen Chardonnays in diese kargere Richtung. Chardonnay aus Württemberg aber eben ohne Krawatte. Avantgardistisch. 95/100