Lobenberg: Dass Terroirmeister Tim Fröhlich nicht nur ein extrem gutes Händchen für Riesling hat, hat er mit seinen Burgundern schon mehrfach unter Beweis gestellt. Der Chardonnay »S« zählt ganz sicher schon seit Jahren zu den spannendsten Burgundern von der Nahe. Das Material war so dermaßen gut und von perfekter Reife, dass Tim sich dazu entschlossen hat auch eine »R« – also Reserve-Abfüllung – zu vinifizieren. Von den ältesten Reben, die hier in einer sehr kargen und kühlen Parzelle auf Kalk und Rotliegendem stehen. Extrem limitiert – es gibt nur ein ein Tonneaux, also 500 Liter von diesem Wein. Die Nase ist schon ziemlich typisch Schäfer-Fröhlich mit dieser feinen Streichholz-Reduktion, aber auch mit kristallklarer Frucht. Zitrone, Zitronengras, auch etwas gelber und grüner Apfel. Keine Cremigkeit, sehr karg, steinig und knackig-puristisch. Holz ist hier überhaupt nicht im Vordergrund, sondern optimal eingebunden und nur durch eine leichte Rauchigkeit spürbar. Am Gaumen dann das gleiche Spiel aus dieser kristallinen Frucht, etwas Salzzitrone und unreifes Steinobst, auch hier wieder kompromisslos klar und puristisch, sehr geradeauslaufend. Wow, das hat schon ziemlich viel Schub und Dichte, viel Grip, alles zieht sich zusammen. Durchzogen von dieser kalkig-salzigen Mineralität. Das fühlt sich ein bisschen an wie eine Kombination aus der vibrierenden Mineralität von Tim Fröhlichs Großen Gewächsen und dem feinen Schmelz vom grandiosen Weißburgunder »R«. Unfassbare Länge – das ist schon richtig großes Chardonnay-Kino hier im Glas. 97/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.