Lobenberg: Der Wein stammt aus verschiedenen Top-Lagen in Leiwen, Detzem und Longuich von 50 bis zu 80-jährigen Reben. Alles wächst auf blauem Devonschiefer, alles wird spontan vergoren. Da er aus mehreren Orten cuvetiert wird, kann der Alte Reben kein Ortswein sein, aber es ist qualitativ quasi der Ortswein des Hauses. Die alten Reben tendieren deutlich mehr zum Terroir als zur Süße, aber dennoch hat es eine wunderbare, vollreife Rieslingaromatik mit druckvoller gelber Frucht. Deutet höhere Reife und mehr Kraft an, als der sehr mineralische Varidor. Satte gelbe Frucht, Nektarine, Grapefruit, etwas weißer Pfeffer, Zitronengras. Feine Schieferwürze gepaart mit schöner Gelbfruchtigkeit, das ist schon eine superanimierende Mischung. Hedonistisch und trotzdem richtig ernsthaft. Der Mund kommt mit intensivem, salzigem Spiel, unterlegt mit kandierten Zitronen, Zitronengras, dann schiebt etwas fülligerer gelber Apfel und ein bisschen Maracujapikanz nach. Auch wenn sie gelblich und reif ist, ist es weniger üppige, fette Frucht, bleibt schon schlank und fein gezeichnet. Etwas Orangenschale und gelbe Blüten geben einen Hauch von Schmelz und Extraktsüße über diesen steinigen Terroirausdruck. kandierte Zitrusfrucht, das ist schon ein sehr stylischer Riesling und für die Mosel, weil er sowohl reife Gelbfruchtigkeit und eine schlanke Linie hat, ein delikater Schieferriesling. Schon auf den Ausdruck des Bodens und die Eleganz getrimmt, ohne aber die Frucht zurückzulassen. 94/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.