Lobenberg: Der schwarze Herrgott liegt ganz nah an der Pfalz, wir sind also im südlichen Rheinhessen, in der Nähe des Donnersberg. Hier findet man ein sehr steiniges und steiles Terroir. Es entstehen sehr tiefgründige Weine, die zugleich sehr tänzelnd sind und von einer schwebenden Eleganz getragen werden. Der Wein zeigt sich sehr puristisch. Schon in der Nase ist er der schlankeste der Großen Gewächse dieses Weinguts. Sehr steinbezogen. In einem kühleren Jahr wie 2021 kommt das ganz besonders gut raus. Eine kräftige Gesteinsladung zieht in die Nase, Geröllhalde, Mandarine, Orangenzesten, Passionsfrucht. Der Mund ist dann sogar weniger ein Laserstrahl wie zunächst erwartet, es zieht schon ordentlich an den Backen mit diesem kalkigen Grip und dem ungeheuerlichen Salzdruck. Aber es ist eben auch unglaublich abgeschliffen, präzise, fokussiert, geschmeidig. Und er braucht Zeit, er braucht sicher viel mehr Zeit als andere GGs aus dem gleichen Haus. Und er hat auch mehr Größe, ist jedoch viel extremer ausgeprägt, nicht so zugänglich. Aber schon ganz großer Stoff, keine Frage. 97-100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.