Lobenberg: La Serra ist die kühlste höchste Lage in La Morra, und damit die höchste Lage von Voerzio und in der Langhe überhaupt, in mehr als 420 Metern Höhe direkt am Ortsausgang Richtung Barolo. Südost-Exposition. Inzwischen schon auf 8000 Stöcke je Hektar aufgestockt. Entsprechend der Höhe und der Sonnenexposition ist der La Serra der feinste, verspielteste, der zarteste Wein von Voerzio. Er wird ob seiner Zartheit oft unterschätzt, ist jedoch in warmen, runden Jahren ob seiner verspielten Feinheit und hohen Säure oft der beste Wein Voerzios, zumindest aus meiner Sicht, und auch aus der Sicht des Winzers. Jede Pflanze, also jeder Weinstock, bringt bei Roberto Voerzio nur unter 300 Gramm Beeren aus maximal 5 winzigen Trauben. Nur die stocknahen 5 Trauben werden belassen, und einige Zeit vor der Lese wird die untere Hälfte (der unreifere, grünere Teil) der Traube vorsichtig weggeschnitten. Wahrscheinlich ist Voerzio der extremste Winzer der Welt. Bei so extremer und qualitativ auch gewünschter Ertragsreduktion von ca. 300 Gramm je Rebe ist es dauerhaft jedoch wichtig, die Stockdichte auf Zehntausend je Hektar zu erhöhen. Sonst ist das kommerziell sinnlos. Die Aufstockung erfolgt laufend, aber das wird auch noch Aufgabe der Folgegeneration bleiben. Natürlich erfolgt hier die Arbeit biologisch-organisch (nicht zertifiziert, das Ansehen der italienischen Zertifikate ist wegen diverser Undurchsichtigkeiten arg ramponiert), vom Weinberg bis zum Keller. Nur Spontanvergärung, Nebbiolo-Ausbau nur in gebrauchtem, burgundischem, sehr dichtporigem Holz, minimal getoastet, nur Zweit- und Drittbelegung, damit traditionelle Ausprägung der Weine, Holz ist nicht spürbar. Bei so extrem geringen Erträgen und biodynamischer Weinbergsarbeit ist die Traubenreife deutlich schneller als bei Standardbetrieben, i.d.R. gibt es hier 3 Wochen Vorsprung, man erntet weit vor allen Kollegen und erreicht in anders verlaufenden Jahren die höhere Reife und Komplexität. Häufig ist La Serra, die noch oberhalb von Brunate und Cerequio liegt, für mich der größte Wein bei Voerzio. Auch wenn bei internationalen Verkostern oft die Wärme und Reichhaltigkeit der anderen Lagen mehr ins Gewicht fällt. Wenn es um Finesse geht ist La Serra nicht zu schlagen. 2017 war gekennzeichnet von einer großen Frostperiode im Frühjahr und von einem warmen Sommer mit langer Trockenperiode. Vom Frost wurden vor allem jene Winzer verschont, die Reben in Hochlagen bewirtschaften. Durch die Trockenheit und Wärme stand im Herbst eine deutlich frühere Lese an als normalerweise, teils vier Wochen früher. Das schöne war, dass Anfang September in den Nächten eine große Kühle herrschte. Wir haben also auf der einen Seite einen warmen, reichen, fruchtbetonten Jahrgang wie 2011 oder 2015. Und gleichzeitig haben wir Frische und Kühle durch den kühlen Herbst und somit auch eine hohe Eleganz, mit seidigen Tanninen. Deshalb ist 2017 ist nicht wirklich vergleichbar, weder mit 2011, das die Kühle nicht hatte, und auch nicht mit 2003 oder 2015. Die klimatischen Bedingungen haben 2017 auch dazu geführt, dass sich in Barolo die verschiedenen Höhenlagen etwas annäherten. Der Jahrgang, mit seiner Frische, Finesse und fruchtstarken Aromatik, dominiert in diesem Jahr 2017 deutlich mehr als in Jahren wie 2016 oder später 2019 und 2020. Roberto Voerzio arbeitet biodynamisch, aber ohne Zertifizierung. Im Weinberg gibt es winzige Erträge von klar unter 20 Hektolitern pro Hektar, häufig sogar 15 oder gar 10 Hektoliter. Es sind extrem stammnahe, winzig kleine Träubchen. Die Reben stehen in extremer Dichtpflanzung von 10.000 und mehr Stöcken pro Hektar. Der Ertrag pro Pflanze liegt damit zwischen 300 und 500 Gramm. Normalerweise reduziert Roberto die Weinstöcke auf fünf Trauben pro Rebe. Zusätzlich werden die Trauben mittig halbiert, sodass nur die Schultern und der mittlere Teil in den Wein kommen. In warmen Jahren reduziert Roberto sogar auf vier Trauben pro Stock, der durchschnittliche Ertrag liegt dann bei circa 400 Gramm pro Pflanze. 2017 war das erste Jahr, in dem Roberto aufgrund der niedrigen Erträge und der biologischen Arbeit bereits im August mit der Lese begonnen hat. Am 31. August wurde Brunate gelesen, am 7. September war die gesamte Lese abgeschlossen. La Serra ist der höchstgelegene Weinberg von Voerzio auf 400 Metern in La Morra, oberhalb von Cerequio und Brunate. Die Nase zeigt Marzipan mit roter Kirsche und Kalkstein. Ein bisschen Hagebutte darunter. Ganz fein und spielerisch, hocharomatisch und charmant. Dabei zartbleibend. Der Mund ist der frischeste von alles Crus. Die Höhe macht sich bemerkbar, die Augen ziehen sich zusammen. Unglaubliche Frische, ein Finale mit einer grandiosen Säure. Der Charme wird überdeckt von dieser wahnsinnigen Frische. Konzentrierte, säurebeladene Himbeere im Finale, unglaublich verspielt. Dieser La Serra braucht länger, es ist im Grunde eine Gevrey-Chambertin-Version, aber feiner, zarter und schlanker. Ich weiß nicht, ob ich La Serra noch über den Cerequio setzen soll, aber wir sind bei beiden in einer spielerischen Leichtigkeit – die unendliche Leichtigkeit des Seins. Der Wein hört gar nicht wieder auf. Beide, Cerequio und La Serra, sind Weine, die sich anbieten, allein getrunken zu werden. Gar nicht als Essensbegleiter, weil sie so unendlich duftig, fein und frisch sind. Nur Träumen ist angesagt. Großer Stoff! 99-100/100