Lobenberg: Brovia besitzt eine 1,5 Hektar große Parzelle der Lage Villero, die ebenso wie Rocche in Castiglione Falletto liegt. Beide Weinberge liegen entlang der Straße zwischen Castiglione und Monforte, beide relativ hoch auf 350 Metern. Wenn man durch Castiglione fährt, dann liegt zur rechten Seite Villero und zur linken Seite Rocche. Villero liegt damit in perfekter Süd-West Exposition und ist etwas wärmer als der steilere Rocche. Villero hat hauptsächlich weißen Lehmboden, die Reben wurden Anfang der 60er-Jahre angepflanzt. Bei Brovia werden alle Crus ganz genau gleich gemacht. Die Trauben werden immer zu 100 Prozent entrappt. Fermentation in Beton, wo der Wein drei bis vier Wochen auf der Maische bleibt, dann in einen Stahltank hinüber gezogen wird, wo die Malo stattfindet, und anschließend wird er in großen Holz-Botti von 3.000-4.000 Liter ausgebaut. Das Besondere bei Brovia: Hier wird die Maische übergepumpt, aber der Saft wird nicht von oben mit einem Strahl wieder zugeführt, um nicht zu starke Tannine auszuwaschen, sondern über eine flache Platte quasi darüber gesprüht. Alles, um elegante Weine zu machen. Im Juli auf Flaschen gefüllt, also vor 3 Monaten. Mittleres, leuchtendes Rubinrot mit einem Hauch Orange. Ich probiere den Villero nach dem Rocche – die Nase ist hier schon monumental, tief und hedonistisch. Dichte, reife Kirschfrucht mit ätherischen Kräutern, salzige Würze und zugleich eine beeindruckende Verspieltheit. Veilchen, Rosenblüten, Lakritze, Anis und ein Touch Fenchel. Mit etwas Luft kommt auch Teer hinzu. Alles ist in Balance und immer auf der würzigen Linie bleibend. Dabei hat der Wein eine wunderbare Komplexität und Präzision der Aromen. Im Mund ist das ein ultra-saftiger Wein. Wir haben hier Power und Spannung, das ist ein selbstbewusster und entspannter Wein. Saftige rote Kirsche, auch Cassis und Brombeeren, reife, dunkle Frucht kommt hinzu. Dann wieder Veilchen und salzige Würze. Die Tannine sind ultra fein, leicht griffig, aber sie harmonieren so schön mit der Frucht. Das ist eine Kombination aus der Eleganz eines Vosne-Romanee mit dem Dampf eines Gevrey. Absolut beeindruckend und hedonistisch mit perfekt balancierter Frische im Mund. Etwas Teer und lila Blüten klingen nach. 2020 ist bei Brovia ein ganz besonders schöner Jahrgang. Hedonistische Würze vereint mit Saftigkeit. Ich liebe diesen athletischen Stil der Weine Brovias. Sie sind muskulös und zugleich erstaunlich elegant und schlank. Einfach wunderbar!
Der Jahrgang 2020 ist der Mittlere einer Trilogie herausragender, großer Jahrgänge im Piemont. Im Weinberg waren die Konditionen des Bilderbuch-Jahrgangs absolut perfekt. Während der Wachstumsperiode wurden die Reben mit ausreichend Regen versorgt, die Temperaturen waren im Sommer warm und ausgeglichen, ohne Hitzespitzen. Ab September sorgten die kühlen Nachttemperaturen für das langsame, gleichmäßige Ausreifen der Trauben – also hervorragende Voraussetzungen. Wenn man den Jahrgang mit nur einem Wort beschreiben müsste, wäre es »Balance«. Die besten 2020er Nebbiolo Weine sind mit unendlich dichter, manchmal beinahe überwältigend intensiver, umwerfend attraktiver, saftiger, vibrierender, roter Frucht ausgestattet. Sie haben viele, dafür aber unendlich feine, rund polierte Tannine, die harmonisch in diese opulente »Fruchtwelle« integriert sind, ihre rassige Säure verleiht den Weinen neben diesem Tanningerüst zusätzlich ein vielversprechendes Reifepotential. Ob ihrer reifen Frucht werden die 2020er Baroli und Barbaresci dennoch vor den noch intensiver und klassischer strukturierten 2019ern und auf jeden Fall vor den 2016ern in ihr Trinkfenster kommen. Das Barolo Consortium vergleicht 2020 mit dem Jahrhundertjahrgang 2016, aber die Weine haben genuss-technisch sogar noch mehr auf dem Kasten, denn sie erreichen eine traumhafte Kombination aus der ultra-hedonistischen Frucht des Jahrgangs 2018 mit der phänomenalen, klassischen Struktur des Jahrgangs 2019. 2020 ist also »The best of both worlds«.