Lobenberg: Alessandra Divella ist für Franciacorta das Äquivalent eines Spitzen-Winzerchampagner-Produzenten. Die Geschichte der Quereinsteigerin ist absolut sensationell, meiner Meinung nach ist sie ein Genie! Sie hat nie Önologie studiert, sondern hat sich ihr Wissen mit Hilfe von Büchern selbst angeeignet und dann experimentiert und aufmerksam gelernt. Übrigens steht hier nicht »Franciacorta« auf der Flasche, weil Alessandra sehr stolz auf ihre Weinberge in den Höhenlagen des Örtchens Gussago ist. Genau genommen gehört der Ort zur Appellation Franciacorta, aber man kann diesen Stoff natürlich nicht mit »klassischen« Franciacorta aus den hauptsächlich flachen Tallagen vergleichen. Dieser Schaumwein wird aus 100 Prozent Pinot Noir gemacht und behutsam in einer kleinen, alten Korbpresse von Hand gepresst. Nach dem anschließenden 6 bis 8 monatigen Ausbau in gebrauchten Barriques bis zur Tirage (der Abfüllung in Flaschen mit Zugabe von Zucker und Hefen für die zweite Gärung) folgt die traditionelle Flaschengärung. Der Wein blieb ganze 42 Monate auf der Feinhefe in der Flasche, bevor er im September 2024 degorgiert wurde. Er basiert auf dem Jahrgang 2020, mit satten 20-25 Prozent Reserveweinen. Mittleres Altgold mit einem Hauch Kupfer-Rosé. Die Nase ist mystisch, verlockend und unendlich spannend. Bei jedem Reinriechen kommen mehr Aromen zu der kräftigen Nase hinzu. Reife Quitten, Quittengelee, angeschlagene rote Äpfel, Steinobst, Orangen und Blutorangenabrieb mit der für Alessandras Weine typischen und so krass unwiderstehlichen Würze. Nach ein paar Minuten kommen nasser Kalkstein, Lorbeer und Muskatnuss hinzu. »Clo Clo is a cold soul. You feel that it comes from altitude with high temperature differences between day and night.« sagt Alessandra. Ich empfehle ihn aus einem großen Burgunder- oder aus einem großen Weißweinglas zu trinken, denn mit etwas mehr Luft entwickeln sich die Aromen mehr und mehr. Mmmh! Das ist einfach genialer, wunderbarer Stoff! Der erste Schluck und meine Augen ziehen sich zusammen. Krasse Spannung, klirrende Frische, Intensität und zudem eine knackende, verführerische Salzigkeit. Das feine Mousse hinterlässt eine zarte Haptik im Mund – dieser Schaumwein ist ganz sicher ein Chamäleon, das sich auch am Esstisch in Szene setzen kann. Gelbe Äpfel und Birnen, Zitronensaft, Salbei, Orangenmarmelade, rote Johannisbeeren und süß-aromatische Walderdbeeren, am Ende bleiben Quitten, ein zarter Hauch Vanille- und Zitronenbrioche und frisches Gesteinsmehl auf der Zunge. »Clo Clo ist der Introvert, Dady der Extrovert.« lächelt Alessandra. Genau diese anfängliche Zurückhaltung ist so fesselnd und so schön. Die Inspiration für den Clo Clo war übrigens ihre Schweizer Mutter, die gerne gnadenlos direkt auf den Punkt kommt, aber zugleich auch viel Liebe ausstrahlt. Ebenso wie die Aromen von Brioche und der Hauch Vanille in diesem Wein! Trocken und intensiv – das ist phänomenaler Stoff, ich bin absolut begeistert von dieser talentierten jungen Winzerin, von der man ohne Zweifel noch viel hören wird.