Lobenberg: Dass die Aldingers das Burgund als klares Vorbild für ihren Weinstil sehen, sollte Liebhabern dieses Weinguts schon lange nicht mehr unbekannt sein. Aber einen solchen Wein hat es so auch noch nie gegeben! Trauben aus Marsannay, verarbeitet und ausgebaut bei Aldinger in Fellbach. Ja, irgendwie schon ein echter Burgunder, aber eben aus Württemberg. Was durchaus kurios klingt, ist ein wirklich grandioses Unikat! Die Trauben stammen von einem befreundeten, biodynamisch arbeitenden Winzer aus Marsannay. Matthias und Hansjörg Aldinger wollten immer schon wissen, wie stark der Einfluss des Terroirs wirklich auf den Wein ist, wie sich Trauben aus dem Burgund in ihrem eigenen Keller entwickeln würden. Die Idee existierte lange Zeit als kleine »Spinnerei« in ihrem Kopf, bis sie im Jahr 2022 dann endlich zur Realität wurde. Am 11. September 2022 startete Matthias seine Reise ins etwa 500 Kilometer entfernte Marsannay. Mit dabei: Ein Kühlwagen und Leseboxen. Nach einem Lesetag und zwei mit jeweils Chardonnay und Pinot Noir gefüllten Boxen, ging es zurück ins heimische Weingut, wo die Trauben direkt weiterverarbeitet wurden. Gerade genug Menge für jeweils ein Barrique Wein. Vom Pinot gibt es daher nur 333 Flaschen. Mit 100% Ganztrauben verarbeitet, aber im recht warmen Jahr 2022 mit sehr reifen Rappen, die dem Wein eine überraschende, durchdringende Kühle verleihen. In der Nase zunächst total transparente, ja wirklich glasklare Kirschfrucht. Süße Herzkirsche mit Frische von Sauerkirsche. Hinzu kommen etwas Heidelbeere und Himbeere, unterlegt von Blutorange, leicht erdiger Würze und in Ansätzen auch etwas florales, am ehesten Veilchen. Die traumhafte Himbeere wird mit der Zeit immer durchdringender, schiebt sich immer mehr in den Vordergrund. Wir haben hier schon in der Nase eine wirklich grandiose Spannung zwischen satter, reifer Frucht und diesen immer wieder aufblitzenden, ätherisch-kühlen Elementen. Zarte Aromatik von roter Johannisbeere gesellt sich dazu. Absolut keine Spur von einem zu heißen Jahr, das zeigen auch die moderaten 12,5% Alkohol. Die Rappen sind so gut wie nicht wahrnehmbar in der Nase. Eine dezente Holznote gibt den gerade perfekten Rahmen. Alles ist so unheimlich stimmig und blind würde man den Wein wegen dieser Verspieltheit und Eleganz sogar noch eher nach Gevrey-Chambertin, als nach Marsannay verorten. Dieser Eindruck setzt sich dann auch am Gaumen fort: Samtige Kirschfrucht kleidet zunächst den gesamten Mundraum aus. Eingebettet darin ein Kern aus salzig ummantelter, druckvoller Himbeere. Druckvoll, aber gleichzeitig auch so leichtfüßig, so unheimlich elegant mit sehr feinkörniger Tanninstruktur. Samt und Seide, aber eben auch Power und mineralische Tiefe. Grandios ausbalanciert und in perfekter Harmonie. Das längere Flaschenlager hat dem Wein enorm gutgetan. Ein Band aus kristalliner Säure zieht sich bis in den langen Abgang durch. Sauerkirsche, Himbeere, Schlehe und eine reife Zitrusfrische wechseln sich ab. Tolle Dramatik und gleichzeitig eine Gelassenheit, wie man sie von großen Burgundern kennt. Tief im Kern die kalkige Mineralität, die wummert wie ein subtiler Bass und Potenzial für viele Jahre verspricht. Große Länge und Konzentration. Ein aus dem Stand gelungenes Projekt! Der typische Aldinger-Stil mit burgundischer DNA; eigenständig und einfach großartig in dieser Symbiose.