Lobenberg: Für die Spätburgunder des Weinguts Franz Keller möchte ich eine generelle Bemerkung zur Aromatik und zur einzigartigen Wesensart machen, um die Erwartungen der Genießer besser zu justieren und um Enttäuschungen zu vermeiden. Diese Weine um Oberbergen sind ob des vulkanischen Terroirs einzigartig. Unverwechselbar wie die Weine von der Ahr, einzigartig und wegen ihres speziellen Fruchtausdrucks und des speziellen Terroirs sehr ursprünglich deutsch in ihrer Art, niergendwo anders zu verorten. Sehr dunkel, schwarze Frucht, sehr kühl, krautwürzig, etwas spröde und schlank im Körper, nur moderat in der Süße, extrem verspielt und elegant, voll zarter Finesse, klar deutsche Spätburgunder. Keineswegs wollüstige Charmeure wie das Burgund oder pfälzisch badische rotfruchtige, kirschfruchtige, süße Burgundertypen. Keller ist genial und unique, aber eben ganz anders, die Weine brauchen Zeit, beeindrucken schwer ob ihrer abgehobenen Finesse, aber sie umarmen den Genießer nicht. 2018 ist ein Traumjahr der deutschen Winzer für Rotweine. Das Weingut Franz Keller, in Person des Oenologen, Weinmachers und Sohn des Hauses Friedrich Keller, hat im Laufe des letzten Jahrzehnts einen atemberaubenden Fortschritt gemacht. Das liegt sicherlich in erster Linie an Friedrich, der der beste Freund von Julian Huber ist und mit allen Topwinzern des deutschen Rotweins sehr gut verbandelt ist. Das gemeinsame Studium in Geisenheim hilft sicherlich auch. Und wenn in früheren Jahren beim Vater Fritz Keller der Ansatz im Bereich der Spätburgunder mir persönlich etwas zu lieb und brav war, so gibt es hier inzwischen wirklich einschneidende Veränderungen. Hier werden immer mindestens 35, manchmal 40 Prozent Rappen zur Vergärung hinzugefügt. Die burgundischen Klone sind gut 25 Jahre alt, die deutschen Klone deutlich älter. Die Methode wie bei allen Spitzengütern inzwischen: Immer abwechselnd geschichtet Ganzrauben und entrappte Beeren. Wenig Unterstoßen, mehr Überschwallen. Der Schlossberg stammt von sehr alten Burgunder-Klonen und auch einer burgundischen Selection Massale aus Pommard. Auch dieser Wein wächst komplett auf Vulkangestein. Das Gestein heißt tephritische Larven und enthält deutlich mehr Eisen. Ich weiß nicht ob es an der Selection Massale liegt, aber der Schlossberg ist trotz der Eisenunterlage von allen drei Großen Gewächsen das ausgewogenste. Im steilen, windgeschützten Kernstück dieser historisch bedeutsamen Steillage staut sich die Wärme und schafft ein einzigartiges Kleinklima, das die Weine besonders prägt. Eine weitere Besonderheit ist die extrem dichte Bestockung der französischen Klone mit 11.000 Reben pro Hektar. Dementsprechend extrem kleine Erträge pro Stock. Was die Weine von Keller vereint ist ihre Rauchigkeit aus dem hohen Rappenanteil und die daraus resultierende Krautwürzigkeit nebst der blumig schwarzen Frucht von den vulkanischen Terroirs. Hier beim Schlossberg sind sogar 60 Prozent Rappen in die Gärung gegangen. Das bringt eine kraftvolle Verspieltheit. Das sind hier keine fetten Burgunder wie in der Pfalz. Das ist auch nicht so wuchtig wie der Kaiserstuhl. Das hier oben ist wirklich verspielt und fein. Eine Blumigkeit, Veilchen und Vergissmeinnicht. Aber auch viel rote und schwarze Kirsche darunter. Ein bisschen Hagebutte, helle Lakritze, Minze, Eukalyptus. Ein warmer, reicher Mund. Der üppigste Wein der verspielten Wunder von Keller. Mit so schöner roter, warmer, reicher Frucht, die aber sehr pikant rüberkommt. Eine wahnsinnige Frische, die ich in 2018 gar nicht erwartet hätte. Dazu ein straffes Steingerüst und dazu diese süße rote Kirsche, gefolgt von Schlehe, Eisen, Jod und Salz. Auch dieser Wein ist ein Unikat, das muss man Friedrich Keller einfach lassen. Die Weine sind alle sehr eigenständig und man kann die Gewächse von hier oben eigentlich schwer vergleichen. Die Weine des nächsten Nachbarn Holger Koch (früher der Kellermeister von Franz Keller) sind deutlich mehr ins Charmante und Rote gehend, aber die Böden sind auch anders und es ist kühler bei Koch. Wir haben hier bei Keller richtig stylische, fast etwas karge, verspielte, schwarzfruchtige Athleten. Ohne zu viel Muskeln, eher sehnig. Aber sie machen Freude, sind eigenständig. Man muss ihnen allerdings Zeit geben. Der Schlossberg ist 2018, wie er das 2017 auch schon war, der beste Wein des Hauses und gehört zu den großen Pinot Noirs Deutschlands. 100/100