Naturweiss Gutswein 2022

Schätzel: Naturweiss Gutswein 2022

BIO

VDP

Zum Winzer

93+
100
2
Müller Thurgau, Riesling, Silvaner, Weißburgunder
5
weiß, trocken
11,0% Vol.
Trinkreife: 2023–2032
Verpackt in: 6er
9
exotisch & aromatisch
leicht & frisch
naturbelassen
3
Lobenberg: 93+/100
Falstaff: 91/100
6
Deutschland, Rheinhessen
7
Allergene: Sulfite, Abfüllerinformation
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Naturweiss Gutswein 2022

93+
/100

Lobenberg: Wie immer alles aus biodynamischer Bewirtschaftung. Die unterschiedlichen Moste werden alle zu 100 Prozent rein spontanvergoren, größtenteils in deutschen Stückfässern und Halbstückfässern. Das ist kein Orangewein im eigentlichen Sinne, auch wenn die Maischen unterschiedlich lange Standzeiten gemacht haben und teilweise Ganztrauben in Traubensäcken in die gärenden Moste gegeben wurden. Beizeiten mit den Füßen untergestoßen, damit die gesamte Gärung quasi unter einer natürlichen CO2-Schutzschicht unter Sauerstoffabschluss stattfindet und der Most vor Oxidation geschützt ist. Also kein reiner Orangewein, keine Oxidation, dennoch alles so naturbelassen wie möglich, das war die Idee hinter diesem spannenden Wein. Kai Schätzel hat hier seiner Experimentierfreude freien Lauf gelassen, aber alles tip-top clean, stabil und reintönig. Das sorgt dann für eine erfrischende, klare Nase von einem optisch eher trüben Wein und das ist genau die Idee hinter dem Naturweiss. Kai Schätzel ist schon seit über 10 Jahren in diesem Naturweinbereich unterwegs, damals gab es den Begriff noch gar nicht wirklich in Deutschland. Mittlerweile ist er angekommen und muss sich nicht mehr zu den jungen Wilden zählen, die jeden Quatsch mitmachen müssen. Den Wein zwar so naturbelassen wie möglich zu erzeugen, aber dennoch eine Präzision, Frische und die puristische Linie auszudrücken für die Schätzel steht. Hier sind Maische-Anteile drin, zudem leicht geschwefelte Anteile, sowie ungeschwefelte und auch ein paar Partien, die unter Florhefe gereift sind, wie im Jura oder Sherry üblich. Alle Experimente, die Kai in den letzten Jahren in kleinen Teilen gemacht hat, finden jetzt hier ein schlüssiges Ziel. Auf einen total stabilen, für jeden zugänglichen Naturwein hat er hingearbeitet und jetzt ist er erstmals mit einem Blend aller Teile genau dort angekommen, worauf er jahrelang hingearbeitet hat. Riesling, Weißburgunder, Silvaner, Müller-Thurgau, alles ist ein bisschen hier drin, aber Riesling ist die DNA. In 2022 hat aber auch die burgundische Cremigkeit des Weißburgunders eine gewisse Dominanz. In die Nase steigen Grapefruit, Heu, Wiesenkräuter, süße Erde, viel weißer Pfirsich, Zitronenmelisse. Auch im Mund ist es nicht mehr so extrem wild wie früher, bekommt eine Trinkigkeit und Animation, die Kimchi-Aromatik früherer Tage ist etwas runtergetunt, es schmeckt harmonischer, angekommener, ist richtig trinkbarer Stoff geworden. Natural ist im Gutswein angekommen. Und was manch Leser jetzt nicht glaubt: Der Wein ist dazu nicht nur spannend, sondern auch unglaublich lecker. Kai selbst trinkt diesen Stoff sogar gerne als Naturspritz mit einem Schuss Wasser im Sommer. 93+/100

Jahrgangsbericht

All in all der wärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen! An Vorurteilen gegenüber solchen Witterungsverhältnissen mangelt es uns als weinbauliche Nord-Nation ja nicht. Von den Winzern hatten wir aber schon einiges Erfreuliches gehört. Mit ein klein wenig gesunder Skepsis, aber gewaltiger Vorfreude starteten wir direkt nach der ProWein in unsere vierwöchige Verkostungsreise durch Deutschland. Schon wieder ein Rekordsommer also. Da geht das Kopfkino los. Wird ein Tim Fröhlich vor uns sitzen, der mit kaltschweißiger Stirn erstmals zugeben muss, dass die Star Wars-Ära endgültig vorbei ist? Keine surrenden Laserschwerter in den Fässern?! Knackt der immer trockener werdender Oliver Haag mit seiner Juffer-Sonnenuhr den historischen Brauneberger Alkoholrekord? Und wann wird Konrad Salwey wohl geerntet haben – Ende Juli? Wir waren ja auf alles gefasst. Doch dann glitzern die ersten Weine im Glas: fein, leichtfüßig, harmonisch, zugänglich und …elegant! 12% Alkohol! Wow!! Das glaubt einem ja keiner, der es nicht selbst auf der Zunge hatte. Der Jahrgang zeigt – bei den von uns verkosteten Weingütern, anders als etwa 2003 und 2018 – im Jungstadium kaum Anzeichen eines extremen Hitzejahres. Verblüffend. Mit der fortschreitenden Mediterranisierung der klimatischen Verhältnisse geht die Schere zwischen progressivem Weinbau und den geeignetsten Standorten und allem anderen immer weiter auseinander. Wir sehen das von Frankreich über Italien, Spanien und eben auch in Deutschland. Jeder hat mit sich ungeahnt rasch verändernden Bedingungen zu kämpfen. Doch wer im An- und Ausbau nicht vor 10 Jahren stehengeblieben ist, der beherrscht – fraglos mit teils immensem Arbeitseinsatz und Commitment – selbst solche dramatischen Trockenphasen und massive UV-Intensität. Fakt ist aber auch, dass die deutschen Top-Winzer in kaum einem Jahrgang zuletzt so viel abgestuft haben, so penibel waren in ihrer Traubenselektion und so hart mit der Auswahl der Gebinde bei der Cuvetierung. Lange wurde nicht mehr so viel Wein im Fass wegverkauft, gerade auch aus den jüngeren Rebanlagen und ultratrockenen Standorten. So selektiv wie die Winzer sollten auch wir Weintrinker mit dem Jahrgang sein. Wer sich auf Top-Lagen, Top-Weinbau und Top-Betriebe fokussiert, wird ein Füllhorn an atemberaubend guten, wunderbar eleganten Weinen finden. 2022 ist kein Jahr zum wahllosen Draufloskaufen. Denn von Bordeaux über die Rhône bis nach Deutschland sind sich Winzer in einem einig: einfach war der Jahrgang nicht. Trotz Jahrhundertsommer wurden mitnichten aus jedem Weinberg einheitlich große Qualitäten geerntet. Denn in 2022 ist durch die paradoxe Transparenz der Weine ein faszinierend klares geschmackliches Abbild der Terroirs zu erkennen – und damit auch der feinsten klimatischen Unterschiede. Rebalter, lokale Regenmengen, Wasserhaltefähigkeit, Bewirtschaftung, Laubarbeit, Erntezeitpunkt. Diese Details zählen in einem so extremen Jahr wie 2022 noch mehr als sonst. Denn selbst die kleinsten Fehlentscheidungen oder Defizite der Standorte werden von den Weinen kanalisiert. Der Jahrgang mag auf den ersten Blick nicht so durch die Bank makellos strahlen wie es vielleicht ein 2019 tat oder so mitreißend rassig wie 2021 aus dem Glas kommen. Wir sind eher bei eleganter Frucht ohne Üppigkeit, bei sehr balanciertem, reifem Säurespiel und Zugänglichkeit wie sie auch die schicken Jahre 2020, 2017 oder 2012 hatten. In der Spitze versprechen manche 2022er auf Augenhöhe mit den genannten zu sein – und zeigen Potenzial womöglich sogar darüber hinauszuwachsen. Einige Weine sind berauschend gut. Was für ein unendlich feiner, kühler, kraftvoller Morstein bei Wittmann, Christmanns Hammer-Idig, ein superintensives Ungeheuer bei Bürklin, ungeahnt tänzerisch-leichtfüßige, brillante Kabinette von Saar und Mosel, eine superbe Kollektion bei Luckerts, eine Juffer-Sonnenuhr bei Haag, die keinen Alkoholrekord bricht, sondern mit feingliedrigem Zug glänzt und ganz große Klasse auch bei Loewen. Es gibt so viel Grandioses zu entdecken in diesem Jahr und ich denke auch Weltklasse war drin. Weil der Jahrgang sich regional so unterschiedlich präsentieren kann, habe ich mich entschlossen kleine Abrisse der Regionen zu skizzieren. Genauere Details finden Sie in den neuen Verkostungsnotizen. Tauchen wir also ein ins heterogene, faszinierende, verführerische und teils so überraschend feine 2022, das viele Anklänge von 1999 (trockener Sommer, Regen im September), der Köstlichkeit von 2009 und dem ebenfalls verblüffend delikaten 2020 hat.

91
/100

Falstaff über: Naturweiss Gutswein

-- Falstaff: Riecht nach herbem Apfel, Birne, Mandeln, kräuterig, Malz. Am Gaumen knochentrocken, mit Phenolen, die wie feines Schmiergelpapier den Gaumen massieren, saftig, Apfel, Quitte, zieht seinen Reiz aus animierender Herbe und saliner Mineralik, getragen von frischer Säure. 91/100

Mein Winzer

Schätzel

Kai Schätzel zählt aktuell sicher zur Liga der interessantesten Winzer Rheinhessens. Seit einigen Jahren beobachte ich nun die Weine. Dabei kristallisiert sich mit jedem Jahrgang nach einer experimentellen Anfangszeit ein klarer Stil heraus. Kai Schätzel hat mittlerweile seinen eigenen Stil gefunden...

Naturweiss Gutswein 2022