Riesling Halenberg Großes Gewächs 2022

Emrich Schönleber: Riesling Halenberg Großes Gewächs 2022

VDP

Zum Winzer

97–100
100
2
Riesling 100%
5
weiß, trocken
12,0% Vol.
Trinkreife: 2028–2052
Verpackt in: 6er
9
voll & rund
mineralisch
frische Säure
3
Lobenberg: 97–100/100
Lobenberg in Wiesbaden: 98–100/100
Suckling: 95/100
Weinwisser: 18+/20
Jancis Robinson: 17,5/20
6
Deutschland, Nahe
7
Allergene: Sulfite, Abfüllerinformation
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Riesling Halenberg Großes Gewächs 2022

97–100
/100

Lobenberg: Der Halenberg ist ein imposanter Steilhang mit langen Rebzeilen auf mit einem von blauem Schiefer und Quarzit geprägtem Boden. Es gibt hier etwas mehr mineralischen Einfluss als im Frühlingsplätzchen, da der Boden karger ist. Die Trauben werden als Ganztraube kurz angequetscht, dann wenige Stunden Maischestandzeit, anschließend sehr sanft und langsam gepresst und in verschiedenen alten Stückfässern spontan vergoren. Der Wein ruht lange unberührt auf der Hefe im Fass. Er verbleibt auf der Vollhefe bis bis kurz vor der Füllung im Sommer 2023. Halenberg ist wie meist der dunklere, geheimnisvollere Wein. Er eröffnet rauchig-steinig, aber jeder Schwung mit dem Glas lässt ihn ein paar seiner Nuancen mehr freisetzen. Was für ein betörend zarter, ja sogar kühler Duft! In der ersten Nase nur nasses Gestein, Graphit, dann Zitronenabrieb und Maiglöckchen. Unglaublich fein und geschliffen. Keinerlei Anzeichen eines heißen Jahres, liegt mit der Ruhe eines tiefen, dunklen Gebirgssees im Glas. Er öffnet sich weiter, Reneclaude und weißer Pfirsich kommen hinzu, Blütenstaub, etwas angerösteter Tabak und Biskuit. Und gerade wenn man meint jede Nuance dieses monumental tiefen, dabei aber unglaublich feinen Rieslings erfasst zu haben, schießt wie aus dem Nichts die Halenberg-Cassisnote hoch, dunkelbeerig, graphitig, herbsteinig – so schmeckt der Halenberg. Ein klirrendklarer Blauschieferabdruck macht sich breit. Im Mund gibt der erfrischende Mentholkick eine ob der Witterung des Jahrgangs unerklärliche Kühle ab. Zieht lange, lange hintenraus, Bergminze, wieder dunkle und weiße Beeren. Seidig-zart in seiner Textur, sogar feiner noch als 2021 und 2020. Er hat nicht diese zwingende Tannin-Power der Vorjahre, ist aus einem feineren Stoff gewoben. Aber diese kühle, minzige Länge, dieser strahlende Geradeauslauf, der sich mit schwebender Leichtigkeit in eine ungeahnte Dimension zieht. Das ist schon Extraklasse. Genau diese faszinierende, dunkle, kühle Länge hatte auch Wittmanns überragender Morstein dieses Jahr. Die Zitronenschale rollt sich einmal über der Zunge ab, das Graphitmineral schiebt den Wein immer weiter hintenraus und die Mentholnote lässt ihn dann einfach abheben. Nein, es ist nicht der kraftvollste Halenberg der letzten Jahre, aber eine so feine Ausstrahlung hatte nichtmal 2021. Er zieht und zieht in die Länge mit seinem ganz feinen Fluss. Halenberg ist schon die filigrane und verspielte Schönheit in diesem Jahr, indem das Frühlingsplätzchen mehr monolithischen Druck hat. Welcher in 15 Jahren die Nase vorne hat mag ich in diesem Stadium nicht vermuten, aber dass Frank Schönleber dem Jahrhundertsommer 2022 einen so zarten, in die totale Feinheit davonlaufenden Halenberg keltert, hätte ich mir nicht ausmalen können. 97-100/100

Jahrgangsbericht

All in all der wärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen! An Vorurteilen gegenüber solchen Witterungsverhältnissen mangelt es uns als weinbauliche Nord-Nation ja nicht. Von den Winzern hatten wir aber schon einiges Erfreuliches gehört. Mit ein klein wenig gesunder Skepsis, aber gewaltiger Vorfreude starteten wir direkt nach der ProWein in unsere vierwöchige Verkostungsreise durch Deutschland. Schon wieder ein Rekordsommer also. Da geht das Kopfkino los. Wird ein Tim Fröhlich vor uns sitzen, der mit kaltschweißiger Stirn erstmals zugeben muss, dass die Star Wars-Ära endgültig vorbei ist? Keine surrenden Laserschwerter in den Fässern?! Knackt der immer trockener werdender Oliver Haag mit seiner Juffer-Sonnenuhr den historischen Brauneberger Alkoholrekord? Und wann wird Konrad Salwey wohl geerntet haben – Ende Juli? Wir waren ja auf alles gefasst. Doch dann glitzern die ersten Weine im Glas: fein, leichtfüßig, harmonisch, zugänglich und …elegant! 12% Alkohol! Wow!! Das glaubt einem ja keiner, der es nicht selbst auf der Zunge hatte. Der Jahrgang zeigt – bei den von uns verkosteten Weingütern, anders als etwa 2003 und 2018 – im Jungstadium kaum Anzeichen eines extremen Hitzejahres. Verblüffend. Mit der fortschreitenden Mediterranisierung der klimatischen Verhältnisse geht die Schere zwischen progressivem Weinbau und den geeignetsten Standorten und allem anderen immer weiter auseinander. Wir sehen das von Frankreich über Italien, Spanien und eben auch in Deutschland. Jeder hat mit sich ungeahnt rasch verändernden Bedingungen zu kämpfen. Doch wer im An- und Ausbau nicht vor 10 Jahren stehengeblieben ist, der beherrscht – fraglos mit teils immensem Arbeitseinsatz und Commitment – selbst solche dramatischen Trockenphasen und massive UV-Intensität. Fakt ist aber auch, dass die deutschen Top-Winzer in kaum einem Jahrgang zuletzt so viel abgestuft haben, so penibel waren in ihrer Traubenselektion und so hart mit der Auswahl der Gebinde bei der Cuvetierung. Lange wurde nicht mehr so viel Wein im Fass wegverkauft, gerade auch aus den jüngeren Rebanlagen und ultratrockenen Standorten. So selektiv wie die Winzer sollten auch wir Weintrinker mit dem Jahrgang sein. Wer sich auf Top-Lagen, Top-Weinbau und Top-Betriebe fokussiert, wird ein Füllhorn an atemberaubend guten, wunderbar eleganten Weinen finden. 2022 ist kein Jahr zum wahllosen Draufloskaufen. Denn von Bordeaux über die Rhône bis nach Deutschland sind sich Winzer in einem einig: einfach war der Jahrgang nicht. Trotz Jahrhundertsommer wurden mitnichten aus jedem Weinberg einheitlich große Qualitäten geerntet. Denn in 2022 ist durch die paradoxe Transparenz der Weine ein faszinierend klares geschmackliches Abbild der Terroirs zu erkennen – und damit auch der feinsten klimatischen Unterschiede. Rebalter, lokale Regenmengen, Wasserhaltefähigkeit, Bewirtschaftung, Laubarbeit, Erntezeitpunkt. Diese Details zählen in einem so extremen Jahr wie 2022 noch mehr als sonst. Denn selbst die kleinsten Fehlentscheidungen oder Defizite der Standorte werden von den Weinen kanalisiert. Der Jahrgang mag auf den ersten Blick nicht so durch die Bank makellos strahlen wie es vielleicht ein 2019 tat oder so mitreißend rassig wie 2021 aus dem Glas kommen. Wir sind eher bei eleganter Frucht ohne Üppigkeit, bei sehr balanciertem, reifem Säurespiel und Zugänglichkeit wie sie auch die schicken Jahre 2020, 2017 oder 2012 hatten. In der Spitze versprechen manche 2022er auf Augenhöhe mit den genannten zu sein – und zeigen Potenzial womöglich sogar darüber hinauszuwachsen. Einige Weine sind berauschend gut. Was für ein unendlich feiner, kühler, kraftvoller Morstein bei Wittmann, Christmanns Hammer-Idig, ein superintensives Ungeheuer bei Bürklin, ungeahnt tänzerisch-leichtfüßige, brillante Kabinette von Saar und Mosel, eine superbe Kollektion bei Luckerts, eine Juffer-Sonnenuhr bei Haag, die keinen Alkoholrekord bricht, sondern mit feingliedrigem Zug glänzt und ganz große Klasse auch bei Loewen. Es gibt so viel Grandioses zu entdecken in diesem Jahr und ich denke auch Weltklasse war drin. Weil der Jahrgang sich regional so unterschiedlich präsentieren kann, habe ich mich entschlossen kleine Abrisse der Regionen zu skizzieren. Genauere Details finden Sie in den neuen Verkostungsnotizen. Tauchen wir also ein ins heterogene, faszinierende, verführerische und teils so überraschend feine 2022, das viele Anklänge von 1999 (trockener Sommer, Regen im September), der Köstlichkeit von 2009 und dem ebenfalls verblüffend delikaten 2020 hat.

98–100
/100

Lobenberg in Wiesbaden über: Riesling Halenberg Großes Gewächs

-- Lobenberg in Wiesbaden: Der Halenberg 22 von Schönleber kommt viel steiniger aus dem Glas. Mehr Grip, mehr Struktur. Aber weniger Wollust und Sogwirkung. Erwachsener, klassischer. Groß, aber nicht so verführerisch wie das Frühlingsplätzchen. Dafür in der Mineralik und Erhabenheit großes Kino. Archetypisch Nahe auf der erhabenen und maskulinen Seite. So toll, dass Schönleber beide Pole, maskulin und feminin, so perfekt bespielt. Frank holt alles Typische mit allen Unterschieden aus den Lagen heraus! 98-100/100

95
/100

Suckling über: Riesling Halenberg Großes Gewächs

-- Suckling: Very attractive nose of peach and spice with just a touch of exotic fruits. Rich and ripe with a touch of mid-palate creaminess as it rolls gently over you, the power very understated. Delicate slatey minerality at the long silky finish. Drink from release. 95/100

18+
/20

Weinwisser über: Riesling Halenberg Großes Gewächs

-- Weinwisser: Wie so oft in diesem jungen Stadium verschlossen-kühler Duft, dahinter eine sehr steinig-mineralische Kulisse, nur ganz zarte Steinobst-Andeutungen. Im Mund kraftvoll, fest und in bestem Sinne kernig, ungemein packend und schnörkellos, geradezu puristisch, feine phenolische und mineralischsalzige Struktur im Finale, die ihm ein langes Leben bescheren wird. Purismus, der noch viel Zeit braucht, um wirklich trinkreif zu werden! 18+/20

17,5
/20

Jancis Robinson über: Riesling Halenberg Großes Gewächs

-- Jancis Robinson: Quite a price now! Deep straw. Really rather gorgeous and already sumptuous with its balance of fruit and terroir effects. Just on the end there's a little chewiness but also great length and pungency. 12% 17,5/20

Mein Winzer

Emrich Schönleber

Im Auf und Ab der Weingeschichte genossen die Steilhänge der Nahe Anfang des 19. Jahrhunderts schon einmal allerhöchstes Ansehen. Auch Johann Wolfgang von Goethe hielt das allgegenwärtige Lob in seinen Notizen fest: »Nun rühmte die Gesellschaft einen in ihrer Gegend wachsenden Wein, den Monzinger...

Riesling Halenberg Großes Gewächs 2022