Lobenberg: Der Hendelberg ist mit Sicherheit eine der spannendsten Lagen im Rheingau, seit Jahren sehe ich ihn bei den Kühns schon als heimliches GG, obwohl es »nur« eine Erste Lage ist. Auch bei Prinz sticht dieser Wein durch seinen feinen, enorm steinigen Charakter heraus. Es ist eine kühle, rund 300 Meter hohe Hanglage mit bis zu 40% Steigung. Der karge Boden ist geprägt von einer Mischung aus Schiefer und Quarzit. Durch die Südwest-Ausrichtung können die Trauben perfekt ausreifen und gleichzeitig ist die Lage, besonders am oberen Hangbereich, sehr windoffen, was für eine gute Belüftung sorgt. Diese kühlen Parzellen oben am Hang haben sich erst in den letzten, heißeren Jahren als besonders gut und zukunftsträchtig erwiesen. Sehr klare, tiefgründige Nase, geprägt von nassem Stein und kühler Mineralität. Nasser Schiefer, aber auch Kreide, dazu ganz leicht Feuerstein-artig. Zunächst einfach pures Gestein, dann treffen hier plötzlich Yuzu und Austernschale auf Zitronenmelisse und Mirabelle. Druckvolle Tiefe ausstrahlend, wirkt diese Nase gleichzeitig auch irgendwo sehr fein. Im Mund drückt dann die salzige Mineralität mit voller Wucht gegen den Gaumen, die kristalline Säure schiebt dagegen. Alles spannt, bevor es in eine überraschend saftige Frucht umschwenkt. Reife Zitrone, Pfirsich, dann auch herbere Zitrusfrucht wie Kumquat und Grapefruitschale, die einen feinen Grip am Gaumen hinterlassen. Spannungsgeladen mit beeindruckender, mineralischer Pikanz und Tiefe. Karg, straff und salzig im Nachhall. Ein Wein für Rieslingpuristen, das gefällt mir extrem gut. 95+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.