Lobenberg: Wie im benachbarten Bordeaux war auch in der Rioja der Winter und das Frühjahr extrem nass und kühl, die Böden waren voll gesogen und gesättigt von Feuchtigkeit. 235 L/qm im März bis zur Blüte im Juni. die Hälfte der durchschnittlichen Jahresmenge. Dazu das sehr gut Wasser speichernde Kalkgestein, günstige Voraussetzungen für trockene Jahrgangsverläufe. Der Sommer war trocken und heiß, bis zu 38 Grad im Juli und August, dazu kühle Nächte, eine hohe Tag-Nacht-Amplitude. Das bedeutet kaum Pilzkrankheiten, superb für biologisch arbeitende Weingüter wie Artadi. Wen wunderts, dass auch in der Rioja, ähnlich wie in Bordeaux, neben einer hohen Reife eine große Frische, sehr spannungsgeladene, agile, lebendige Weine voller Vibration, dazu die sehr reifen, seidigen Tannine und hochreife Frucht. 2 Regionen, 2 grandiose Ergebnisse. Wie in Bordeaux folgt auf das weiche, mollig charmante 2018 ein atemberaubend vibrierend frisch-reifer Jahrgang 2019 und danach ein Jahrhundertjahr in klassischer Generosität. Trilogien dieser Art gibt es gern mal um die Null herum, 88-90, 98 bis 2000, 2008 bis 2010 und nun, dank Klimaverschiebung und großen Fortschritten in der Weinbergsarbeit (Dichtpflanzung mit rigoroser Ertragsbeschränkung je Stock, besseres Wissen um das Laubmanagement und der Einzug der Biologie und Biodynamie), die beste Trilogie aller bisherigen Zeiten. El Pison ist eine Amphitheaterlage und bildet zusammen die Speerspitze Artadis. 1945 gepflanz, Dichtpflanzung, biodynamische Weinbergsarbeit, nur mit dem Pferd bearbeitet, keine Bodenverdichtung, kleinste Erträge. El Pison hat einen etwas höheren Lehmanteil, die Weine sind deshalb etwas reichhaltiger, etwas wuchtiger als der El Carretil. Der Untergrund ist Siliziumcarbonat, das gibt satten Mineralaustausch mit den Lebewesen des Untergrunds. Auch dieser Wein zeichnet sich aus durch diese unglaubliche Cool Climate Charakteristik, erstaunlich, dass 2019 und 2020 in ihrer Frische alle Erwartungen an trockene und heiße Jahre wiederlegt. All das manifestiert sich hier in diesem Wein. Diese reiche, hochreife Frucht, die so immens frisch ist. Die Nase kommt wie 2019 zuallererst mit enorm viel Minze, Menthol, Eukalyptus, dann kommt Blaubeere, Cassis, Cranberry mit diesem leicht vegetalen Charakter wie von Rappen, auch Johannisbeere, Sauerkirsche, Schlehe, schlank und ultrakühl bleibend, viel Salz ausstrahlend. Mehr großes Holz und gebrauchtes Barriqe, Frucht und Finesse und Kühle. Aber 2020 zeigt viel mehr Holunder, Schiefer und Gesteinsmineralität in der Nase. Schwarze Kirsche, Blaubeerschalen mit einem Garrigue Touch unterlegt, Krautwürze. Sattes Gestein, an Cornas und Hermitage aus der Nordrhone erinnernd. Im kühlen Maulbeer-Mund kommt im zweiten Anflug brutal steinige Mineralität, das ist ein Le Meal aus Rioja. Wahnsinnig viel Stein, geschliffene, polierte Tanninmasse, enorm floral, Veilchen und Tinte bis zum Abwinken. Zur Nordrhone könnte auch ein Cos d'Estournel 2020 in seiner so klassischen Ausrichtung Pate gestanden haben. Kaum Holz, Ausbau im 500 Liter Demi-Muids. Artadi ist in Sachen Ausbau auf einem tollen Weg. Kaffee, Cranberry in ihrer leichten Sprödigkeit, Sauerkirsche, pinke Grapefruit, Eukalyptus. Aber immer wieder Stein, Granit, Schiefer, Piementpfeffer, Chilli, Salz und maskuline, fast brachiale, nicht charmante Frucht. Ein komischer Weise gar nicht fetter und doch archaischer Blockbuster. Am Ende ist 2020 doch so ganz anders als 2019. Ein richtiger Kracher. 99-100/100