Elias Schlichting über:
Tignanello
-- Elias Schlichting: Dieser Wein zeigte ähnliche Schärfe und Präzision in der schwarzen Frucht wie der allgemeine Favorit, die Nr. 3 (Saffredi) - vielleicht einen Ticken weniger stylisch. Dennoch unglaublich poliert, fein und geschmeidig verwoben präsentiert sich schon der Duft. Schwarz-rote Kirsche sowie schwarz-rote Johannisbeere, Quatre Épices, Feuerstein und Kreidestaub, frisch aufgewühltes Erdreich, Chamäleon-artige Komplexität. Das Ganze ist mit brillanter Frische unterlegt und strahlt wollüstige Kraft aus. Dieser Wein hat wohl die deutlichste Verwandlung an der Luft hingelegt und sich bei der zweiten Probe so viel besser präsentiert, dass er mindestens einen Platz gut gemacht hat beim Nachskalieren. Anfangs wirkte die Struktur noch etwas rau, mit ehrfurchtgebietendem Rückgrat, dass den Charme-Charakter des Weines etwas untergraben hat. Doch in der Karaffe wurde die Frucht einnehmender, die Tanninstruktur buttriger und die Frische kam noch prägnanter zum Tragen. Die samtige Frucht hat zwar durchgehend Druck gemacht und von unten heraus angeschoben, aber der sehr feste Kern wurde erst nach einigen Stunden fein aufgedröselt. Es folgt ein deutlicher Zugewinn an Harmonie. Oder anders, ein Wandel zum Hedonismus. Ein rassiger Wein mit mittlerem Körperbau bei hoher Intensität, der einige Reife in der Flasche auf jeden Fall reich entlohnen wird. Ein weiteres Mitglied im Team der 2016er Langstreckenläufer, grandios. 96-98/100