Lobenberg: Monte Nostrum ist der nächste Geniestreich von Riesling-König Wilhelm Weil und seinem Team. Der Wein stammt aus der »coolsten« Lage des Kiedricher Bergs, den höchsten und kühlsten Parzellen oben am Bergkamm, noch oberhalb des Gräfenbergs und Turmbergs am Waldrand gelegen. Am westlichen Ende dieses Bergzuges steht der noch heute erhaltene Bergfried des ehemaligen castellum nostrum, eine Hochburg, die die Mainzer Bischöfe 1160 dort errichten ließen. Der Ansitz war als eine Art »Wachturm« für die bereits damals urkundlich erwähnten Crus Turmberg und Gräfenberg gedacht, deren Trauben schon damals von hohem Wert waren. Die Lage am Bergkopf und in direkter Waldnähe macht den Monte Nostrum zu Weils wohl kühlster Lage. Die kargen Phyllit-Schieferböden sind dem spannungsreichen Turmberg nicht unähnlich, aber es ist die noch kargere Terroirausrichtung, eben auch durch die Höhenlage. Selektive Handlese in mehreren Durchgängen. Dann folgt eine kurze Standzeit auf den Schalen und langsames Pressen. Die spontane Vergärung und der Ausbau finden für 12 bis 18 Monate in Doppelstückfässern aus heimischer Eiche statt. Schon die Nase fasziniert mit ihrer kristallklaren Erscheinung. Eine Aromenwelt so klar wie ein Alpensee! Agrumenzesten, darunter viel Grapefruit und Orange, auch Orangenblüte und Orangenöl, Yuzu, ganz hinten ein Anflug schwarzer Johannisbeere. Dann immer deutlicher hervortretend Bergminze und ein Strauß frischer Alpenkräuter mitsamt blauer Blüten. Die kräuterig-orangige Auslegung mit hellgelber Frucht zeigt klar in welche Kerbe der Monte Nostrum schlägt: totale Cool Climate-Auslegung. Je länger man am Glas riecht, desto mehr Aromen tauchen aus dem Untergrund auf, mit Luft wird es zunehmend mineralischer, straffer, da kommt der rauchig-graphitige Charakter des Turmberg durch. Und wenn dann der Mundeintritt kommt, sollte man sich nicht nur gut festhalten, sondern auch anschnallen. Wahnsinnig konzentriert in der Frische, alle Papillen werden einmal gegen den Strich gebürstet. Die Aromen aus der Nase überschlagen sich im Mund nochmal in rasanter Geschwindigkeit, Yuzu mit weißem Pfeffer und Meersalz dominieren, dann flankiert saftige Grapefruit mit weißem Pfirsich, intensive dunkle Steinunterlage, die an den Feuerstein von Sancerre denken lässt. Das Ganze passiert am Gaumen mit einer solchen Dynamik, dass man fast aus der Kurve getragen wird. Straff, elektrisierend, fast saar-artig mineralisch, dabei aber mit deutlich mehr Druck und Schmelz als die Saar, das ist klar. Aber die Auslegung ist eine ähnliche, das ist im Grunde ein messerscharfer Riesling, der nur durch seine schicke Agrumenfrucht und die feine, gelbfruchtige Dichte davor bewahrt wird, den Trinker zu überwältigen in seinem strammen Mineralantritt. Ein bisschen wie bei einem Chablis Grand Cru Les Preuses, der diesen Spagat oft auf gleiche Weise schafft. Es bleibt am Ende ein Weil, es hat auch eine gewisse Geschmeidigkeit und Rundheit aus der Frucht… der Wein ist nie agressiv oder anstrengend und er hat eine beachtliche aromatische Länge. Salz, süßsaure Grapefruit, Orangenblüte, Minze, Graphit, alles bleibt auf der Zunge haften wie reingelasert. Natürlich erreicht er nicht die elegante Kraft und gigantische Konzentration eines Monte Vacano, dafür ist die Lage zu kühl, aber der Monte Nostrum ist sicher der dramatischste und straffste Riesling des Hauses. Sehr beeindruckend und sogar ein bisschen herausfordernd in seiner Art. Dabei, und das muss erwähnt werden, enorm saftig mit genialem Trinkfluss, trotz aller Komplexität auch trinkig lecker. Das ist Oldschool-Rheingau mit der wahnsinnig perfektionistischen Ausführung der Moderne. Großes Kino für Mineralfreaks!