Lobenberg: Die perfekte Komposition seines Bodens aus hohem Gesteinsanteil von Phyllit-Schiefer und wasserhaltenden Schichten macht das Gräfenberg-Terroir so einmalig. Der Kiedricher Gräfenberg hat Phyllit-Schieferböden mit Lössanteilen und durchzogen von lehmigen Adern, die gerade in den vergangenen Jahren der Trockenheit ein Segen sind. Nach einem erneut historisch trockenen und sehr sonnigen Sommer, kamen Regenfälle gegen Herbst. Die Trauben waren allerdings weitgehend sehr gesund, es gab nur sehr wenig Botrytis. Das Team war dennoch fleißig in den Weinbergen unterwegs und hat komplett biologisch gearbeitet, die Zertifizierung folgt demnächst. Es gab keinen zu großen Trockenstress im Gräfenberg, die Blätter waren allzeit grün. Der Ausbau geschieht zu einem Drittel im Stückfass. Kurze Maischestandzeit von 6 bis zu 24 Stunden. Im Stückfass spontan vergoren und ausgebaut, bis im Sommer verbleibt der Wein auf der Hefe. Keine Abstiche, die Weine verbleiben ohne Schwefel bis Ultimo auf der ersten Hefe. Der Gräfenberg hat durch seinen Lehmanteil und seine wärmere Exposition immer mehr Stoffigkeit als der kargere Turmberg. Der große Unterschied zwischen 2018 und 2022, die Parallelen im Sommer hatten, ist die Trockenheit, die in 22 noch mehr durchgeschlagen hat. Die partiellen Reifestops haben 22 vor dem Fettwerden bewahrt, es ist eben moderat-reif geblieben und konnte nicht durchpowern wie 18, weil dafür das Wasser im Boden gefehlt hat. Und man kann keineswegs behaupten, dass der Gräfenberg viel üppiger wirken würde als der Turmberg, aber er ist schon druckvoller, konzentrierter, reicher. Das macht ihn aber eben auch deutlich komplexer, intensiver. Die Abstufung als Große Lage wird auch in einem solchen Jahr schon deutlich, weil es einfach der voluminösere, einnehmendere und dadurch sogar packendere Wein ist. Nicht weil er definierter oder schärfer gezeichnet wäre, sondern weil er einfach präsenter und erhabener ist. Der 2022er hat einen genialen, hellen gelbfruchtigen Schub, eine unerhörte Gourmandise, eine Köstlichkeit, die ihn apart macht vom extremeren 21. Elegante, aber reiche, hellgelbe Frucht, Pfirsich, Nektarine, Orangenschale, reife Grapefruit. Tolle Schieferwürze, leichtes Salz, das die Frucht flankiert, aber neben dem gewaltigen Fruchtschub noch nicht im Vordergrund, das wird über die Zeit kommen. Der Jahrgang hat eine elegante Opulenz, was gar nicht so gegensätzlich ist wie es klingt, weil es im Kontext des Jahrgangs viel Sinn macht. Denn es ist ein extrem sonniges Jahr, das aber durch die Trockenheit eben auch eine nur moderat-reife Seite hat. Die 2022er bewegen sich in diesem Spannungsfeld aus Hedonismus und Eleganz, mit gewaltigem Fruchtdruck und Power, aber eben fein und ausgewogen im Kern. Kiedrich hat es schon gut getroffen in diesem Jahr und Weil im Speziellen, weil er durch seine Größe und die ewige Erfahrung in diesem Hang, immer das Beste rausholen kann. Ein köstlicher Gräfenberg, der mit fast burgundisch-cremiger Reichhaltigkeit UND innerer Spannung, sogar einer Eleganz, glänzt. 97-99+/100