Lobenberg: Immer komplett im Edelstahl vergoren und ausgebaut, aber immer lange auf der Hefe belassen. Thomas Haag pusht die Weine nicht zu einer schnellen Abfüllung. Schöne reduktive Spannung in der Nase, Granny Smith, Limette, feinere Aprikosennoten. Schlanke, sehr feine und verspielte Nase. Niedriger im Alkohol als in den Vorjahren, wunderbar kühl und filigran, nicht so wuchtig. Ganz klassisch verspielt in moselanischer Manier, ein schicker, erfrischener Traubensaft. Tolle Nase mit Aprikose und grünem Apfel, viel frische Weintraube. Grandiose Spannung im Mund, unglaublich saftig, tänzerisch in dieser hellen, kristallinen Schieferwürze mit feiner Salzigkeit. Eine leichte Schärfe aus weißem Pfeffer und ein bisschen Salz an den Zungenrändern. Extrem knackig, saftig in der Frucht laufend, milder Limettensaft und grüne Birne, ein Hauch Cassis im Nachhall. Die Säure ist prägnant aber total reif, verleiht dem Wein eine feine Vibration am Gaumen ohne aggressiv zu sein. Die cleane, saftige europäische Frucht ist mit einer mundwässernden Mineralität unterlegt. Das ist schon extrem gut in dieser präzisen, geradlinigen Art. Diese schlanke, ganz filigrane und klassische Mosel-Art gefällt mir sehr gut, weil es trotzdem aufregend ist und viel Zug hat. 92+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.