Lobenberg: Auch die GGs werden weiterhin vollständig im Edelstahl vergoren und ausgebaut. Liegen bis zur Füllung im Sommer unfiltriert auf der Vollhefe. Das ist eine Lage, die Thomas Haag vom Schloss Lieser nicht angestammt im Programm hat. Erst vor einigen Jahren konnte er ein kleines Stück mit alten Reben zukaufen. Aber aus dem Stand wurde sein Goldtröpfchen zum Primus Inter Pares. Das Goldtröpfchen ist eine Südlage in Piesport. Thomas Haags Parzelle liegt etwas höher, auch nicht mehr so weit weg vom Wald. Es wird sehr kühl in der Nacht und deshalb hat das Goldtröpfchen bei ihm – jedenfalls für mich – meist die größte Spannung. Thomas verwendet nur den Vorlaufsaft nach der schnellen und schonenden Presse für das GG. Spontan vergoren wie alles hier. Schon die Nase birst vor Spannung und Druck, konzentrierte, aber sehr kühle, hellgelbe Frucht. Intensiv mineralisch in der Anmutung, ein Hauch weißer und gelber Pfirsich, nasser Asphalt, weißer Pfeffer, zerstoßener Schiefer. Ein Duft, der karg und expressiv zugleich ist. Thomas Haag erntet hier wirklich dramatisch intensive Weine im Goldtröpfchen. Der Mund kracht, und er kracht richtig. Die Mineralität und die saftige Säure sind perfekt ineinander verwoben, seidig im Trinkfluss, feinmineralisch, salzig, zitronig. Der Wein weicht kaum mehr von der Zunge und ist doch so fein und leichtfüßig. Schwerelose Intensität, der Wein schwebt auf der Zunge und baut doch grandios viel Druck auf im Finale, das die Zunge lange in Beschlag nimmt. Gestein und Salz bleiben stehen, tolle Würze hinten raus, wieder Pfeffer, kandierter Ingwer, leichte Schärfe, pikant, dunkelmineralisch, fast feuersteinig und doch so genial kristallin wie es nur Thomas Haag schafft. Alles ist wirklich schick und trotzdem so hochintensiv. Das Goldtröpfchen hat dieses enorme Spiel aus reifer, intensiver Frucht und kristalliner Brillanz, Vibration und kerniger Phenolik. Jedes Jahr ein faszinierender Wein und in der erste Reihe der Mosel. 97-98+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.