Lobenberg: Peter Jakob Kühn bzw. sein Sohn Peter Bernhard haben die Ausbauzeiten ja vor Jahren schon verändert. Die normalen GGs Nikolaus und Doosberg liegen jetzt für zwei Jahre im großen Holzfass – erst auf der Vollhefe, dann auf der Feinhefe. In diesem Fall ein Jahr auf der Vollhefe, dann Abstich und weitere 5 Monate auf der Feinhefe vor der Füllung. Der Oestricher Doosberg ist eine Einzellage in ca. 120 Höhenmetern in Oestrich gelegen. Er liegt ca. 100 Meter höher als der Nikolaus. Wir sind hier mehr auf Löss-Lehmböden. Also reichhaltigere Böden, die mehr Power und Druck in den Wein bringen. Im östlichen Teil mit einer wunderbaren Südexposition und insgesamt auch einer gewissen Kühle in manchen Teilen. Der Doosberg hat immer viel Substanz, kommt mit Tiefe und Reichhaltigkeit aus dem Glas, hat eine hohe Fruchtintensität und verheimlicht seine Kraft nicht. Aber er ist dennoch stets elegant, getragen und in sich ruhend. Kein Schreihals, aber doch ein auffälligerer Typ als das ganz zarte Lenchen und der stylische Nikolaus. Das verblüffende an 2020 ist die Ruhe und die sanfte Tiefe, die man diesem heißen Jahr gar nicht so zutrauen würde. Natürlich haben wir schon eine intensive Gelbfruchtigkeit, haben wir Nektarine, reife Grapefruit und Reneclauden. Auch Wildkräuter, blonden Tabak. Aber die Eleganz und Feinheit mit der sich das ganze am Ende ausdrückt ist doch erstaunlich. Intensiv ja, aber kein Blockbuster, ruhig, fein. Der Mund strotzt dann aber vor Energie. Ein durchaus energetischer, fast krachender Antritt im Mund, den man nach der ruhigen, fein verwobenen und eleganten Nase dann so auch wiederrum nicht hat kommen sehen. Irre Spannung auf der Zunge, der Wein zieht an allen Papillen, zitrisch, würzig, weißer Pfeffer, Ingwerschärfe, Muschelschalen, dann gelbe Blüten und hellgelbes, feines Steinobst. Lebhaft und köstlich saftig. Ganz fein verwoben und trotzdem so viel Schub, so viel Power, so viel kanalisierte Traube im Glas. Kühl, kräuterig, dennoch mit enormer Präsenz und Körperlichkeit im Mund. Alles ist voll da, alle Regler nach rechts. Nimmt alles ein, Doosberg: here I come! Ein dreidimensionaler Riesling, gebaut wie ein Felsen. Irgendwo erinnert das schon an die großen, trockenen elsässischen Rieslinge der 1990er, die den deutschen damals gezeigt haben wie es geht. Mit der Kraft ohne Schwere, der mineralischen Strahlkraft und Frische, die trotzdem so schön geschmeidig gepuffert ist. Die aufregende Spannung, wie sie eben nur deutscher Riesling kann. Ich hätte nicht geglaubt, dass der 2020er mit dem 2019er auf Augenhöhe stehen kann, aber das kann er locker, wenn nicht sogar mehr. Der Doosberg liegt für mich persönlich auch vor dem Nikolaus GG dieses Jahr. Das ist ein atemberaubender Riesling! 97-98+/100