Lobenberg: Der Basis-Riesling von Schätzel stammt zu einem guten Teil aus den üblichen Niersteiner Lagen, aber auch von Top-Lagen aus Dielheim und Guntersblum, hier gibt es größtenteils Kalk und Löss und aus Nierstein kommt auch etwas Tonschiefer dazu. Auch hier werden natürlich alle Lagen organisch und biodynamisch bewirtschaftet. Der Wein bekommt im Weinberg wie im Keller dieselbe penible Behandlung wie die GGs, d.h. 100 Prozent Spontangärung in gebrauchten Fuderfässern und einem ganz kleinen Teil Edelstahl und verlängerte Lagerzeiten auf der Hefe mit Batonnage für eine volle Haptik am Gaumen. Der Wein soll stilistisch die Eintrittskarte in die Rieslingwelt von Schätzel verkörpern und das tut er unverkennbar. In die Nase steigt die animierende Frische von leicht herben Zitrusfrüchten, Kumquat, Blutorange und Grapefruit, fast mit einem Hauch Exotik darunter, alles wird von der feinen, Schätzel-charakteristischen Hefewürze ummantelt. Der Riesling verkörpert bereits in der Nase, wofür die Weine von Kai Schätzel immer stehen, Frische, Leichtigkeit und eine gewisse Freiheit in der Stilistik, dennoch bleibt die handwerkliche Präzision immer gewahrt. Am Gaumen ist der Riesling einerseits anschmiegsam mit Noten von reifer Mirabelle und würzigem, gelbem Pfirsich, andererseits wird die zarte Frucht von einer knackigen Frische konterkariert, saftige Grapefruit und Blutorange stehen mit ihrem mundwässernden Nachdruck dagegen und bilden eine trinkanimierende Balance. Hinten raus kommt viel Salz, viel saftige Frische, immer wieder hallen reife Zitrusfrüchte und Hefewürze nach, die feine Salzigkeit bleibt lange am Gaumen und der Zunge haften. Das ist eine Ode an die Freude im Gutsweinbereich und gleichzeitig auch etwas Freakshow. 92+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.