Lobenberg: Weiser-Künstler ist ein 4 Hektar kleines Boutique-Weingut und neben Clemens Busch eines der Bio-Aushängeschilder der Mosel. Entsprechend stammt auch dieser Wein aus zertifiziert biologischem Anbau. Konstantin Weiser und Alexandra Künstler bearbeiten ihre zumeist an Einzelpfählen erzogenen Reben in akribischer Handarbeit. Alles wird spontan vergoren. Vergärung und Ausbau finden in Edelstahl oder traditionellen Fuderfässern statt. Die Abfüllung geschieht für moselanische Verhältnisse eher spät mit ausgedehntem Hefekontakt. Die Ellergrub in Enkirch ist neben dem Trarbacher Gaispfad eine der Top-Lagen an diesem Moselabschnitt. Die Reben stehen auf blauem Schiefer. Die Ellergrub war die erste Lage des Weingutes, damit haben die beiden begonnen und es ist bis heute die ikonischste Lage hier. Das Kabinett stammt von 80 bis 100 Jahre alten, wurzelechten Reben von den unteren Terrassen. Die Nase ist kristallin und klar, mit heller Frucht, sehr strahlend, süßer grüner Apfel, helle Birne, kandierter Ingwer, kaum einschneidende Zitrusfrucht, dafür wunderbar zugänglich. Sehr elegant und feinziseliert. Auch kühle Kräuternoten, Pfefferminze und weißer Pfeffer. Der Mundeintritt ist von kristalliner Reinheit, Limettensaft, feine Spannung und intensive, einnehmende Frucht. Rassig und schlank auf ganz feiner Linie laufend, aber zugleich intensiv und mit gutem Fruchtdruck. Stromlinienartig geradeauslaufend, so viel Trinkfluss. Intensive, fast scharfe Mineralität. Die Augen ziehen sich zusammen. Grandiose Balance. Salzgeprägter, fokussierter, rassiger, animierender Nachhall, der durch den kristallinen Schiefercharakter nie süß wird. Erneut eines der intensivsten und besten Kabinette des Jahres, neben Vollenweiders Goldgrube, die ja gar nicht so weit entfernt wächst. Leider sind beide immer sehr limitiert. 96-97/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.