Lobenberg: Dieser Wein stammt zu 100 Prozent aus Gunderlochs Top-Lage Nackenheimer Rothenberg, die direkt an das Weingut angrenzt, quasi die Hauslage ist und fast eine Monopol-Lage. Ist also ein ganz klarer Zweitwein des GGs und qualitativ weit oben angesiedelt. Dieser Wein wächst in den Parzellen um den Kernbereich aus dem das GG kommt. Alle Weine bekommen eine gewisse Maischestandzeit von ein paar Tagen, je nach Jahrgang. Dann wird nach sensorischer Probe, sobald die Phenolik anfängt die Aromatik zu verändern, schnell abgepresst und ohne Vorklärung in die Stückfässer gegeben und spontan vergoren. Die Nase ist elegant und steinig, ein bisschen wild, kräuterig, mit rötlichen Einflüssen in der Nase. Er wirkt etwas karger als der Niersteiner Ortswein, der aus dem Pettenthal kommt. Die Reben stehen eben auch in purem Gestein, hier gibt es kaum Erde, nur staubigen, steinigen, rötlichen Schiefer. Wir haben kaum Frucht, überhaupt keine Exotik oder Üppigkeit. Einfach nur ganz glockenklare, kräuterig unterlegte Grapefruit, Kumquat. Es hat auch einen mediterranen Einschlag, ohne aber warm zu wirken, Olivenöl, fast ein bisschen Garrigue in dieser staubig-rauchigen Kräuterwürze. Diese Eindrücke setzen sich auch am Gaumen fort, knackig-frischer Antritt, fest strukturiert und saftig. Markante Säurespur, kühl und druckvoll aber total reif und seidig. Der Nackenheimer hat eine intensive mineralische Vibration im Mund, ist sicher der ernsthaftere, anspruchsvollere, aber auch der packendere und komplexere Riesling neben dem Niersteiner. 94+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.