Lobenberg: Es gab an der Côte Chalonnaise - im Gegensatz zur Côte d’Or - weniger Frost und Hagel in 2019, Bruno war überhaupt nicht getroffen. Dennoch sind seine Erträge ja auf natürliche Weise immer extrem gering. Er hat 14.000 bis 20.000 Stöcke in den Anlagen stehen, schneidet super knapp an. Lorenzon erntet selbst in einem normalen Jahr nur 30 hl/ha. Nach dem Ausbau in Barriques aus eigenem, handselektiertem Holz und vor der Flaschenfüllung, gibt es für alle Weißweine bei Lorenzon nochmals bis zu 6 Monate Ruhezeit im Stahltank, um weitere Präzision zu gewinnen. Bruno ist befreundet mit einem benachbarten Tonnelier, der ihm die Fässer exakt nach seinen Wünschen baut. Er sucht alle Bäume in den Wäldern nordöstlich von Chablis selber mit ihm aus. Er lagert das Holz anschließend auf seinem eigenen Grundstück für mindestens 3 Jahre bevor dann beim Tonnelier ein Fass daraus wird. Das Toasting ist immer minimal. Ich glaube, ich habe nur extrem selten einen solch perfektionistischen Winzer getroffen. Die Weißweine werden niemals gepumpt, sondern nur mit CO2-Druck bewegt, um Sauerstoffeinträge zu vermeiden. Das ist Brunos bester Weißwein. Eine Selektion aus 15 speziellen Parzellen seiner besten Premier Crus Lagen. Das ist zu Recht sein ganzer Stolz. Der Duft kommt aus dem Glas wie eine Wand, hochkonzentriert, dicht, in sich verwoben, noch etwas verschlossen. Die Nase ist hochelegant, strotzt vor Energie, alles ist angespannt wie ein Bogen, grüne Limette, grüne Aprikose, zerstoßene Muschelschalen, Mandarine, Kumquat, eine grandiose Mischung aus grünlich unterlegter, warmer Zitrusfrucht, auch schicke Grapefruit, feine Hefenoten. Der Mund hat eine grandios abgesteckte Schärfe, salzige Tannine, feine Ingwerschärfe. Lang und ultraelegant, schlankes, superfeines Finale. Orangenschale, Mandarine, Austernschale, fast kreidig in der Anmutung. Sehr lang und konzentriert, tänzelnd und vibrierend. Und auch wenn der Wein sehr deutlich macht wo es lang geht, hat er noch viele Geheimnisse. Ich lehne mich mal aus dem Fenster: das ist der beste Weißwein der Côte Chalonnaise – zumindest in meinem Horizont. Eine Art Corton-Chalonnaise, sozusagen! 98+/100
Nach einem erneut eher milden Winter kamen Austrieb (März) und Blüte (Mitte Mai) wieder recht früh in 2020. Es folgte ein warmer Sommer, der aber weniger extreme Hitzespitzen wie 2019 und 2018 hatte und vor allem durch kühlere Sommernächte eine robuste Säurestruktur erhalten konnte. Häufig wird vergessen, dass Hitze und vor allem Trockenheit nicht nur die Zuckerentwicklung, sondern auch die Säuren und Gerbstoffe durch niedrige Erträge und dicke Beerenschalen aufkonzentrieren. Dieser mediterrane Powersommer hat dem Burgund Mitte August den frühsten Lesestart seit 2003 beschert, dennoch wurden die vollen 100 Tage Reifezeit nach der Blüte erreicht bis zur Lese. Aufgrund der sehr trockenen Verhältnisse waren die Trauben weitgehend kerngesund und vollreif – Fototrauben soweit das Auge reicht! Wohingegen an der Côte de Beaune fast durchschnittliche Mengen Chardonnay geerntet werden konnten, war der Ertrag beim Pinot Noir an der gesamten Côte d’Or durch die winzige Beerengröße geringer noch als im Vorjahr 2019. Die Chardonnays betören mit dem selben imposanten Fruchtdruck und einer Power wie 2019. Sie wirken allerdings schlanker und feiner, auch aufgrund von lebhafteren Säuren, die eher an 2017 denken lassen. Es ist mit 2014 und 2017 ziemlich sicher das beste Weißweinjahr der letzten 10 Jahre. Die Balance der weißen 2020er ist herausragend! Die Pinot Noirs sind etwas weniger einheitlich balanciert. Je nach Terroir und Erntezeitpunkt, changieren sie zwischen bestechender Eleganz, Kühle und Finesse bis hin zu gewaltiger, mediterraner Struktur mit hoher Reife bis hin zur Überreife in einigen Fällen. Die topgesunden Beeren waren dickschalig, klein und kernig und gaben nur widerwillig ihren hochkonzentrierten, hochintensiven Saft preis. Die Fruchtfülle und das Parfüm der roten 2020er ist gewaltig, wie dichte Wolken aus Waldfrüchten und dunkler Kirsche schiebt es tieffarbig und reich aus dem Glas. Die Konzentration ist berauschend, die besten 2020er stellen die exzellenten Vorjahre sogar noch in den Schatten – in der Spitze war absolute Weltklasse möglich in diesem Blockbusterjahr. 2020 ist ein beeindruckendes und großes Jahr, das bei den Top-Domaines mit zum besten zählt, was es in den letzten Jahrzehnten gab. Zurücklehnen und genießen mit den verführerischen Pinots und sich mitreißen lassen von den berauschenden Chardonnays. Die erneut kleinen Erträge und der harte Frost in 2021 erzeugen weiter Mengendruck auf das Burgund und die besten 2020er werden schnell rar und gesucht sein.