Lobenberg: Dieser Semillon-Wein von nur 1.300 Flaschen Gesamtfüllung, die dabei noch nicht mal über eine Maschine, sondern direkt aus dem Tank gefüllt werden, wird zu einem Teil wie ein Naturwein in der Amphore fermentiert. Der Wein verbleibt für 11 Monate auf der Hefe und auf den Schalen, nur die Kerne werden entfernt. Um es etwas genauer zu machen: 60 Prozent werden als Orange Wine in der Amphore fermentiert, zu 40 Prozent wird der Wein im Tank vergoren und ausgebaut. Der Amphoren-Teil hat die Malolaktische Gärung durchlaufen, der Teil im Edelstahl nicht. Der Wein entstand als Tribute zu früheren Semillons in Maule, die für Jahrzehnte vergessen waren. Der Weinberg ist im Durchschnitt 65 Jahre alt und nur ein Hektar groß. Es sind alte Buschweine und dazu nur wenige Reben in Drahtrahmenerziehung. Handlese. Es gibt nur gut ein Kilogramm Trauben pro Pflanze, also weniger als 3000 Kilo von diesem einen Hektar. Dementsprechend ist die Flaschenzahl so gering. In diesem Semillon ist ein kleiner Anteil Sauvignon Blanc enthalten, aber weniger als 15 Prozent. Beide Rebsorten stehen hier im gemischten Satz. Nur mit der Hand bearbeitet. Alles wird spontan vergoren und über den gesamten Winter hinweg in der Amphore bzw im Stahltank belassen. Die Reben sind teilweise über 70 und vereinzelt über 100 Jahre alt, wurzelecht. Der Wein ist hellblond in der Farbe und riecht nach Limette, Kerzenwachs und Bienenpollen. Im Mund dann wieder Limone, kandierter Limonenabrieb, Honig und weiße Blüten. Aber komplett trocken. Kreidige, kalkige, salzige Konsistenz mit hoher Säure. Ein wirklich mundwässerndes Paket. Der Wein ist auch langfristig gut geschützt und lagerfähig, da er ernsthaft phenolisch ist. Man kann ihn deshalb auch durchaus sehr lange lagern. Das Trinkfenster ist sicherlich weit größer als 10 Jahre. Dieser Weinberg von einem Hektar liegt zwischen Cauquenes und Sauzal und wird von der Familie Gonzales per Hand und mit dem Pferd in historischer Art bearbeitet. Die Nase wird dominiert von Wildblumen und Kräutern. Es riecht ein bisschen wie im Frühling auf dem Land. Garrigue-Würze in der Nase. Erstaunlicherweise – obwohl es eine Art Orange Wine ist – hat er nicht diese schalige Note, weder in der Nase noch im Mund. Er ist saftig und schmeckt ausgesprochen lecker. Sehr salzig und steinig. Ein perfekter Essensbegleiter mit viel Power und Druck. Das Ganze mit dieser hohen Säure und dem tiefen pH-Wert. Dazu die Geschmackseindrücke von Granit und Salz. Das ist schon ziemlich großes Kino! Das Besondere an diesem Wein ist, dass er trotz Orange, trotz Schalen, trotz Cremigkeit, Phenolik und Gerbstoff, weich, rund und üppig ist. Mit großer Frische und Krautwürze. Granit, Stein und Salz an der Seite, aber gleichzeitig ungemein lecker, ja fast süffig. Das ist ein Unikat. Ich weiß gar nicht, ob ich einen Wein in dieser Art schon probiert habe. Am ehesten würde ich ihn mit Werlitsch aus der Steiermark vergleichen, der dieses Kunststück, Schalenkontakt mit weicher Süffigkeit und Saftigkeit zu verbinden, auch perfekt beherrscht. Auch das Jura kommt mir in den Sinn. Dieser Semillon aus Chile steht noch für Minuten im Mund. Auf irgendeine Art ist das auch ein gewaltiger Kracher. Letztlich auch mit nichts zu vergleichen. 96+/100