Lobenberg: Das Rhônetal war 2018, ähnlich wie Bordeaux und ein Großteil von Europa, durch ein extrem nasses Frühjahr von vielen Krankheiten heimgesucht. Es gab echten und falschen Mehltau, einfach unglaublich hohen Pilzdruck. Tardieu nennt es ein gnadenloses Jahr mit dramatisch niedrigen Erträgen. Wie auch in Deutschland galt es hier im Jahr 2018 sehr zuverlässig auszulesen und Mehltau bzw. trockengestresste Trauben penibel zu entfernen. Diejenigen wurden dann mit Weinen von außerordentlich hoher Güte belohnt, allerdings in winzigen Mengen. Nicht selten sind die Erträge nur ein Drittel der normalen Mengen und manche Weine fielen gar ganz aus. Die Nordrhône war 2018, wie das Burgund, im Gegensatz zum Süden schon eher gesegnet. Es gab deutlich weniger Krankheitsdruck und viel weniger Ernteausfälle. Die Weine zeichnen sich durch eine hohe Konzentration, üppige Frucht und wahnsinnige Puristik aus. Sie sind wuchtig und kraftvoll, dunkelfruchtig mit hoher Frische und Feinheit. Es ist das dritte große Jahr in Folge für die Nordrhône und womöglich sogar das Beste der drei, da es feiner ist als die üppigen 2017er und kraftvoller als die eleganten 2016er. Der Hermitage ist zu 100% aus Serine, auch genannt Petit Syrah, also der alten Form von der Syrah mit kleineren, dickschaligeren Beeren und einer höheren Säure. Die Reben sind hier über 60 Jahre alt. 14% vol. Alkohol. Das erstaunliche ist: Cornas wird nicht entrappt, Cote Rotie wird nicht entrappt, Hermitage aber zu zwei Dritteln entrappt. Vielleicht weil die Vorbilder Chave und Chapoutier schon immer entrappen, hat sich dies hier in Hermitage eingebürgert, um die feineren, vorbildhaften Pomerolartigeren Weine zu erzeugen. Diese alte Reben stehen auf den bekannten Lagen Le Meal und Diognieres und kleinteilig auch aus 3 kleineren Lagen. Le Meal gehört zu absoluten Spitze der Lagen am Hermitage. Natürlich spontan im Holz vergoren, dann Ausbau in neuen, sowie gebrauchten Barriques, später dann auch im 1500 Liter Stockinger Fass. Michel Tardieu selbst beschreibt das Jahr 2018 als eine Mischung aus der Reichhaltigkeit von 2009 und der Dichte und Feinheit von 2010, es gibt kein einzelnes Jahr das vergleichbar wäre. Ich habe in meiner Einleitung die Jahre 2016 und 2017 herangezogen, die sich sehr ähnlich verhalten haben wie 2009 und 2010. Beides sind Vergleiche, die das Jahr an der Nordrhône treffend umschreiben. Der Cote Rotie war durch seinen 100% Rappenanteil der Frischte in der Reihe, Hermitage ist aber der Eleganteste. So unglaublich fein, ja es ist zwar nur schwarze Frucht, aber hier bekommen wir zum ersten Mal auch schwarze Kirsche. Wir haben hier in der Nase üppiges Burgund, eine Art Über-Richebourg, darunter feine Lakritze, alles nicht so üppig wie in Cornas, nicht so reich, sondern total poliert und tänzelnd, trotzdem dicht und reich. Der Mund verblüfft mich, denn nicht nur die Nase war burgundisch, auch der Mund ist burgundisch. Der Hermitage hat als einziger der gesamten Range diesen Schwarzkirschenanteil, diese unglaubliche Reichhaltigkeit aus der schwarzen Kirsche, erst dahinter kommt süße, schwarze Lakritze, nichts Bissiges, einfach nur fein. Auch nichts Fettes, der Hermitage ist elegant, er zeigt Salz und Gestein. Total poliertes, seidiges und samtiges Tannin in reichhaltiger Menge, aber nicht in dieser Über-Üppigkeit des Cornas, sondern in immenser, polierter Dichte. Endlos auf Schwarzkirsche, Lakritze, Maulbeere, Cassis langlaufend. Ich kann diese Feinheit gar nicht richtig beschreiben, das erinnert mich ein bisschen an Château Angelus 2018 in Saint Emilion, aber der Hermitage ist noch reicher, noch üppiger. Also ein bisschen eine Kombination aus Angelus 2018 mit Angelus 2016. Das ist der letzte der probierten Nordrhôneweine bei Tardieu und es ist beileibe nicht der Schwächste. Wir haben drei völlig verschiedene Weine mit dem Cornas VV, dem Cote Rotie VV und dem Hermitage, aber wir haben drei Legenden für die Ewigkeit mit glatten 100 Punkten. 100/100