Lobenberg: Die Prälat-Auslese gibt es überhaupt nur als Goldkapsel. Das hat aber keinerlei Aussagekraft in Bezug auf den Botrytisanteil. Über 100 Jahre alte, wurzelechte Reben in Einzelpfahlerziehung. Das Ganze wird an einem Tag selektiv geerntet mit dem gesamten zur Verfügung stehenden Lese-Team. Das GG und diese Auslese werden stets gleichzeitig geerntet. Die Botrytis und überreife Trauben für die Auslese GK und die perfekte Reife für das GG werden in getrennten Behältern gesammelt. Ein irrer Aufwand und eine verrückte Kletterpartie an einem der steilsten Hänge der Mosel. In reiner Handarbeit als Ganztraube eingemaischt, mechanisch abgepresst und dann spontan im Holz vergoren. Eine ungeheuerliche Nase. Üppig, dicht, hochkonzentriert, ein verdichtetes Gesteins-Elixier. Dazu diese spannende, einzigartige Mineralität des Prälat, erdig, dunkel, süßer Tabak, Bienenwachs, Schwarztee, Lehm, total faszinierender Terroirabdruck wie ihn nur der Prälat hat. Dazu helle, kristallklare Frucht, Limette, Aprikose, Grapefruit, Blütenhonig, Melone, Babybanane, Ananas, vielschichtig und mit enormer Komplexität aus dem Glas steigend, immer wieder changierend zwischen dunkel-erdigen und hell-fruchtigen Elementen. Fast dramatisch in der Intensität und dem Bodenausdruck. Ein hochverdichtetes Konzentrat aus Gestein und botrytisierten Trauben. Aber die Botrytis ist absolut sauber und strahlend, auch wenn sie von der Ausprägung hier fast schon an manche BA oder TBA heranreicht. Kandierte Limettenzeste, überreife Grapefruit, Bratapfel, tonig-erdig-schieferige Gesteinsnoten, elektrisierende Säurefrische, Ingwerschärfe, weiße und rote Johannisbeere, so pikant, brutal intensiv. Lang und länger, weicht nicht mehr von der Zunge. Die Süßeweine aus dem Prälat sind immer faszinierende Weine. Weine für die Ewigkeit, aber dennoch nicht unnahbar in der Jugend. 100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.