Lobenberg: Der Ausbau ist für alle Weine gleich, vom Cotes du Rhone, über Gigondas bis zum Châteauneuf: Vergärung in großen Edelstahlcuves, Ausbau zu 85 Prozent in Stockingerfudern, der Rest in Tonamphoren. Benjamin Gras hat sich entschlossen in 2022 etwas weniger Ganztrauben zu verwenden als 2021, aber immer noch 80 Prozent. Er mag diesen Rappenstil einfach, weil er Frische bringt und den Alkohol etwas drückt. Saint Vierges ist ein Mischsatz aus 80 Prozent Grenache und zu gleichen Teilen Cunoise und Mourvedre auf puren sandigen Böden nahe Courthezon, aber weit im Osten. Feine Mischung aus dunklen und roten Kirschen, immer ausgesprochen fein. Es ist mit der feinste Châteaneuf bei Santa Duc, klarer Sandcharakter in dieser duftigen Eleganz. 2022 hat natürlich Power, diesen feurigen, tiefen Provence-Abdruck mit trockenem Rosmarin, Thymianblüten, frischem Pfeffer und viel salzige Lakritze. Les Saint Vierges ist immer sehr straight, zugleich sehr charming, aber eher vertikal in seiner Art für einen Châteauneuf, ein aufstrebender Wein. Er hat, wie alle Châteaneuf, immer sehr feste Tannine, die aber reif und süß sind. Was für ein wunderschöner Wein, mehr noch, ein extrem verführerischer Wein. Man muss ihn einfach lieben, denn das ist Châteauneuf in Hochform. Ironischerweise von einem der Top-Produzenten der Nachbargemeinde Gigondas, von dessen Luftigkeit etwas in diesen Châteauneuf übergegangen zu sein scheint.
Der Jahrgang 2022 ist ein multikomplexer, kontrastreicher, heterogener und ganz und gar ungewöhnlicher Jahrgang - offensichtliche Folgen des Klimawandels? Die Rhone hat in den letzten zwei Jahren somit zwei extreme, paradoxe und diametral entgegengesetzte Jahrgänge erlebt. 2021 war frostig, kühl und regenreich, klassisch aufregendes cool-climate. 2022 war dagegen viel zu trocken und extrem sonnig. Dieser schnelle Wechsel macht etwas ratlos und 2022 stellt sogar die Zukunft mancher Weinberge dauerhaft in Frage. Der schon jetzt zu einem der besten Jahrgänge des letzten Jahrzehnts erklärte Jahrgang 2022, den manche gar mit 1978 vergleichen, hält zwar im Norden wunderbare, ja grandiose Überraschungen bereit, aber im Süden durchaus auch einige herbe Enttäuschungen. Die Widerstandsfähigkeit der Reben angesichts der klimatischen Extremsituationen erstaunt dennoch! Die mehr oder weniger intensiven Regenfälle Mitte August und September retteten dann die Weinberge und Regionen, in denen der Punkt ohne Wiederkehr durch Wasserstress noch nicht erreicht war, manchmal aber war es zu spät. 2022 ist somit durch sehr starke Heterogenität zwischen und auch innerhalb der Appellationen gekennzeichnet, grandiose Schönheiten und vertrocknetes, unreifes Elend liegen oft nah beieinander, alles hing am seidenen Faden. Unsere Verkostungen bei den Erzeugern und unsere akribische Auswahl hat in diesem Jahrgang 2022 noch mehr Bedeutung als je zuvor.Südliche Rhone:Wider Erwarten sind die Weißen harmonisch, aromatisch und nicht fett und alkoholisch, es gibt viele großartige Erfolge. Erstaunlich und superb! Die Qualität der Roten ist deutlich heterogener. Unbalanciertheit, Disharmonie, spröde und harte Tannine und mangelnde phenolische Reife findet man in vielen jungen Reben. Nur sehr alte Reben mit minimalen Erträgen und tiefem Wurzelwerk bieten komplexe und anmutige, ja sogar ganz große Weine der historischen Extraklasse.Nördliche Rhone:Der kühlere Norden blieb von den meisten Leiden des Jahrgangs verschont. Die vollständige Reife wurde fast immer erreicht und die Alkoholgrade blieben moderat. Die Gaumen der gleichermaßen großartigen Weißen und Roten sind üppig, prall und dennoch straff. Weine mit Typizität und Stil, die Sommeliers und Restaurants gleichermaßen glücklich machen werden. Ein historisch großer Jahrgang!