Lobenberg: Dieses Weingut liegt direkt vis-à-vis von Barde Haut, allerdings mit der besseren Südwestexposition der Terrassen, und gilt unter Insidern mit seiner Exposition und Kalksteinterrassen als das zurzeit angesagteste Terroir Saint-Emilions. Jeder spricht von diesem Chateau, weil es einfach perfekt liegt und weil der asiatische Investor Peter Kwok hier nun überhaupt keine Kosten gescheut hat, um in den letzten Jahren die Weinberge zu optimieren und einen komplett neuen Keller zu bauen. Das geniale Team, das Tour St. Christoph leitet, sind die früheren Regisseure und Weinmacher von Chateau Le Gay und Chateau La Violette, Jean Christophe Meyrou und Jerome Aguirre. Der auf Terrassen angelegte Weinberg hat 16 Hektar, wovon die Hälfte auf eben diesen Terrassen, und die andere Hälfte um das Weingut herum auf reinem Kalkstein mit Lehmauflage verteilt ist. Aber nur das beste Terroir wird für den Erstwein verwendet. Nur noch 40% wird im neuen Barrique ausgebaut, der Rest im Ein- und Zweijährigen und in größeren Tonneau. 60.000 Flaschen Gesamtmenge Erst- und Zweitwein. Der Untergrund ist wie schon angesprochen überwiegend Kalkstein, aber auch ein Lehm-Kalksteingemisch. Die Fermentation als Spontanvergärung des komplett entrappten Leseguts findet ganz ohne Schwefelung überwiegend im Zementtank statt und ein Teil im geschlossenen Barrique. Danach wird das Ganze zusammengeführt und im neuen und gebrauchten Holz ausgebaut. Die Südexposition der Terrassen führt natürlich zur absoluten Vollreife. Die Zusammensetzung des 2018ers ist 80% Merlot 20% Cabernet Franc mit einem pH-Wert von 3.6 und 14.5% Alkohol. Dennoch hat der Wein auf Grund seines basischen Kalkstein Terroirs eine ungewöhnlich hohe Säure, das ist sicher einer der Schlüssel für diese unglaubliche Finesse, die von Jahr zu Jahr zunimmt. Genau wie Jean Faure wird auch hier nicht nur biologisch bewirtschaftet, sondern auch zu 100% entrappt und vor der Malo nie geschwefelt, ganz sauberes Lesegut, es gab keinerlei Mehltau durch rechtzeitige Behandlung. Und ebenso bis in den März hinein, bis nach der Malo, keinerlei Schwefel vor oder während der Fermentation. Die gleiche Philosophie, auch mit dem frühen Blenden der noch ungeschwefelten Jungweine im Frühjahr. Die Philosophie, Schwefel während der Vergärung und des Ausbaus weitestgehend und nach Möglichkeit ganz zu vermeiden, zieht sich durch alle langjährigen Biodynamiker, das setzt sich vor allem bei den extrem auf Finesse setzenden Weingütern immer mehr durch. Die Nase ist eine Ode an die Freude. Wir haben zwar einen hohen Merlot-Anteil, aber der Merlot kommt zusammen mit dem dominanten Cabernet Franc. Eigentlich kirschig, rotfruchtig, aber dann auch schwarzkirschig, Weichselkirsche, helle Lakritze, Marzipan, Haselnüsse, weiße Schokolade, aufgelöste Kirschkerne, feinste Himbeere dahinter, so ätherisch, so leicht und schwingend, dass man es auf jeden Fall nicht in Saint Émilion verorten würde. Das ist Loire-Stil, das ist fein und dennoch hat es einen Bezug zum Merlot. Ähnlich fein ist auch der Mund, aber etwas mehr Struktur zeigend, dennoch bleibt er zart. Wieder ganz feine helle Lakritze, zarte Bitterschokolade, schiebende Schwarzkirsche, etwas Maulbeere, etwas Cassis, aber nichts wird zu süß. Vor allen Dingen bleibt alles fein und vibrierend. Mit großer Länge. Viel Salz aus diesem reinen Kalkstein-Terroir, auf dem Tour Saint Christophe wächst, kommt hoch. Salz und feine, holländische Lakritze, neben Schwarzkirsche, etwas Dajeelingtee. Unendlich lang, aber mozartartig vibrierend, Vivaldi, so ein feines Spiel, so ein feiner Wein, eine richtige Delikatesse. Ich habe vorher den Haut Brisson aus gleichem Haus probiert und war schon ziemlich angetan, aber der Tour Saint Christophe schlägt den Haut Brisson in seiner Feinheit nochmal um einen ganzen Sprung. Und wenn ich nicht heute am gleichen Morgen Château Jean Faure getrunken hätte, wurde ich diesen Wein noch höher bewerten. Aber Jean Faure bleibt in seiner Feinheit in St Émilion einfach ein Meilenstein. Doch der 2018er Tour Saint Christophe ist wiederrum ein Meilenstein in der Geschichte dieses Weinguts - es gab ihn noch nie besser. 97-98/100