Lobenberg: Das Weingut ist inzwischen auf dem Kalksteinplateau von 3 auf 6 Hektar alte Reben angewachsen. Château Tour Perey von Jean-Luc Marteau liegt neben Château Monbousquet, es steht allerdings nicht auf Lehm und Sand sondern auf reinem Kalksteinfelsen, ein früher von den Römern als römisches Bad genutzter Platz. Eine kleine Insel in dieser vom Lehm dominierten Region. Die Reben sind inzwischen über 80 Jahre alt. Jean-Luc ist von Hauptberuf der Weinmacher bei Rollan de By im Medoc, ein Weingut, dass von seinem Vater als Regisseur geleitet wird. Er hat das kleine Weingut Tour Perey mit dem einzigartig grandiosen Terroir zwar schon früh entdeckt, aber erst um 2010 gekauft (das war finanziell vorher nicht möglich), und er ist weiterhin in der Konversionsphase zu Bio. Die Weinbergsbearbeitung ist seit 2010 komplett organisch. Die Rebzeilen sind begrünt, die Trauben werden komplett entrappt, eingemaischt und spontan vergoren. Die Maische wird nach der spontanen und schwefelfreien Gärung weiter bei über 30 Grad belassen, der Saft steht also einige Wochen warm auf den Schalen. Die Vergärung und Nachmazeration dauert also bis Ende Januar, d.h. Jean-Luc lässt den Saft ungefähr 3-4 Monate auf den Schalen stehen, um damit einfach die harschen Tannine wieder heraus zu saugen. Die Zielsetzung ist im Grunde, einen super feinen Pomerol in Saint-Émilion zu erzeugen. Das liegt an Jean-Lucs Ausbildung, denn er ist in Pomerol geboren, ein hoch reifer, super Finesse-Pomerol a la L’Eglise Clinet ist im Grunde sein großes Vorbild. Der Ausbau findet zu 60% im neuen Holz statt. Die Weine bleiben dabei zwei ganze Jahre ohne Bâtonnage auf der Hefe im Barrique, und danach ein weiteres halbes Jahr im Tank. D.h. sie kommen deutlich später auf die Flasche als üblich. Die Cépage in 2018 ist 67% Merlot, 22% Cabernet Franc, 11% Cab. Sauvignon. Der pH-Wert ist 3.7, der Alkohol liegt bei 14.5%. Die Nase des 2018ers ist extrem fein, ganz viele florale Veilchennoten, auch süße Rosenblätter, total verspielt, ein bisschen Vergissmeinnicht, sogar ein bisschen Jasmin. Das Ganze ist unterlegt mit süßer, roter Kirsche, zarter Waldhimbeere, etwas Mango, erst ganz langsam kommt ein wenig süße schwarze Kirsche und helle Lakritze mit Veilchen, das Ganze ist aber deutlich von feiner, delikater, roter Frucht unterlegt. Dieses Kalksteinplateau, auf dem Tour Perey liegt, und diese starke Cabernet-Ausrichtung bringt eben diese ungewöhnliche Finesse. Der Nachbar Monbousquet ist deutlich eindimensionaler, weil er eben auf Lehm liegt, weil der Cabernet-Anteil viel geringer ist. So einen feinen Wein hätte ich 2018 hier gar nicht erwartet. So unglaublich verspielt in der Nase, Mozart im Geruch. Auch im Mund sich fortsetzend, auch hier ganz starker Himbeertouch, wieder diese deutliche Veilchennote, leichter Vanillehauch. Das Holz ist da, aber nicht stark spürbar. Große Länge, aber auch große Feinheit, ein sehr komplexer, finessenreicher Saint Émilion von der feineren Art. Natürlich sind wir nicht in der extremen Verspieltheit eines Château Jean Faure oder eines Clos Louie, Jean Luc geht schon zur Power, wir sind schon sehr viel klassischer bei kraftvollem Saint Émilion. Aber innerhalb des Saint Émilion sind wir so weit weg von dichter, schwarzer Frucht und von fetter Üppigkeit. Das ist eine wirklich tänzelnde Schönheit mit drahtiger Kraft und unglaublicher, salziger Länge mit klarem Terroireinschlag vom Kalksteinplateau, daher diese salzige Mineralität, die für Minuten verweilt. Der Wein ist süffig und saftig, lang und intensiv und strengt doch nie an. Die Tannine sind äußerst seidig, ich hätte in 2018 überhaupt nicht erwartet, dass wir die Feinheit von 2016 womöglich halten oder noch steigern können. Ich will auch gar nicht sagen, dass der 2018er besser ist als der bisherige Spitzenreiter 2016, er ist nur - und das ist das erstaunliche in diesem heißen Jahr - noch etwas feiner. Das Lesegut war total clean, komplett entrappt, keinerlei Mehltauprobleme. Das ist ein vibrierendes, zitterndes Ereignis. Ich bin ziemlich geflasht und bewerte ihn genauso hoch wie den 2016er, was ich nun wirklich nicht erwartet hätte. Ganz sicher ist aber, dass der Wein Zeit braucht. Die Weine von Tour Perey sind in den ersten 5 Jahren nicht extrem genussfähig, so bauen erst mit der Zeit ihre Massivität etwas ab, zugunsten dieser reichen Komplexität. Auf jeden Fall grandioser Stoff und in der vorderen Reihe St Emilions zu finden. 97-98/100