Lobenberg: Aktueller Besitzer ist die Familie Rouzaud, ebenfalls Besitzer des Champagnerhauses Roederer. Die Familie erwarb das Weingut 2007, seit 2010 ist Sylvie Cazes Verwalterin von Pichon-Comtesse. Pichon Lalande liegt auf einer zwei bis fünf Meter dicken Schicht aus Kies, teils mit Sand durchmischt. Darunter befindet sich komplett Lehm. Die Böden sind also ideal geeignet für die mediterranen Jahre ab 2015, weil es immer ausreichend Wasserversorgung gibt. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es trocken, dann gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings keinen einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Zumal Mitte August circa 80 Millimeter Regen fielen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Die Assemblage von Pichon Comtesse in 2020: 77 Prozent Cabernet Sauvignon, 17 Prozent Merlot und sechs Prozent Cabernet Franc. Der pH-Wert liegt bei 3,84. 77 Prozent Cabernet im Erstwein – und doch ist der Wein schwarz, fast wie ein reiner Merlot. Die Nase ist hochintensiv. Ganz hochreife rote Paprika, zusammen mit Schwarzkirsche. Süße Cassis, Maulbeere, Brombeere und ein kleiner Hauch Blaubeere dahinter. Reich, dicht, intensiv und schon in der Nase ungeheuer mineralisch. Viel Druck ausstrahlend. Sehr klassisch und gleichzeitig sehr reif. Das ist eine tolle Kombination. Der Wein ist im Mund so energiegeladen und so ungeheuer dynamisch. Große Spannung, tolle Säure und Frische ausstrahlend. Das ist ein königlich reifer, hochreifer, aber total spannungsgeladener Pauillac der besten Art. Super klassisch, mit so viel Grip ausgestattet. Der Wein hat die gleiche Energie wie 2019, aber er hat gleichzeitig noch mehr Tannin. Das Tannin ist weich, üppig, aber satt. Der Wein will gar nicht wieder aufhören im Mund. Geniale Frische in der schwarzen und roten Frucht. Ganz viel Druck aufbauend und im Finale salzig, mit genialer Fruchtsäure. Von pinker Grapefruit bis Limette. Das Ganze mit Cassis, Brombeere und Schwarzkirsche. Unglaublich langer Nachhall. Die Tannine schieben für Minuten geradeaus. Gleichzeitig eine unglaublich fleischige Merlot dazu. Der mittlere Gaumen steht extrem zwischen diesen beiden Extremen – der fleischig-charmanten Merlot und der sehr ernsthaften und seriösen Cabernet mit diesen Tanninmengen. Pure Klassik mit einem großen Touch Hedonismus. Ein großer Wein, ohne jede Frage. Dieser Wein ist der erste ganz große klassische Wein, den ich in diesem Jahr probiere. Er braucht mindestens zehn, wenn nicht mehr Jahre im Keller. Großer Stoff! 2020 ist die Kombination des sehr klassischen 2016 mit der enormen Energie von 2019. Und wie ich schon sagte: ein ganz großer Wein. Er gehört zu den Gewinnern des Jahrgangs. Long distance. 100+/100