Lobenberg: Hier gab es 2021 rund zehn Prozent Verluste durch Frost. Mehltau machte keine Probleme. Die Assemblage besteht aus 90 Prozent Cabernet Franc und zehn Prozent Merlot. Die Cabernet ist total gesund und vollreif gelesen worden. Wir haben eine sehr florale Nase mit Rosenblättern, Veilchen und Flieder. Schwebend. Darauf etwas provenzalische Kräuter. Enorm schick! In seiner Art irgendwo zwischen Château Coutet und Château Jean Faure liegend. So unendlich fein. Die Nase erinnert ein wenig an Rappen, aber es wird hier zu 100 Prozent entrappt. So schwebend! Im Mund Himbeere, Erdbeere und ein wenig Chilischärfe dazu. Sehr viel Salz, langes Finale mit Trockenblumen. Das ist ein extrem schicker Wein, ein 2021er, wie ich ihn dieses Jahr gar nicht erwartet hätte, weil er so unglaublich charmant ist. Das Tannin ist total seidig und trotzdem hat er richtig Kick, Aufregung, Spannung, Länge, Salz und Mineralität. Trotzdem ist er so zart. Ein wunderbarer Wein! 97-98/100 *** Petit Gravet Ainé liegt direkt neben Château Canon la Gaffelière von Graf Neipperg. Also der gleiche Untergrund. Sand mit Kies und kleinen Einsprengseln von Lehm, auch Kalkstein. Biodynamisch zertifiziert. Die Weinberge sind mit über 7.000 Stöcken pro Hektar bestockt, es gibt weniger als 7.000 Flaschen. Über 70 Jahre alte Reben. Es gibt nur 1,7 Hektar. Cathérine Papon-Nouvel sortiert seit 2017 mit der von Château Ausone zuerst praktizierten Zuckerwasser-Sortierung. Nach kompletter Entrappung wird noch einmal nachsortiert, nur total cleane Beeren kommen in diese Lösung. Die Zuckerwasser-Konzentration entspricht dabei exakt dem des Safts vollreifer, gesunder Beeren. Das Ergebnis: In diesem Wasserbad sacken nur die reifen Beeren herunter, die man optisch von den etwas unreiferen nicht unterscheiden kann. Die unreifen Beeren bleiben auf der Oberfläche schwimmen und können abgeschöpft werden. Anschließend laufen die gesunden Beeren natürlich vor der Vergärung durch Klarwasser. Erst nach der Trocknung werden sie in die Vergärung gegeben. Jedes Jahr kann man so aufs Neue entscheiden, welchen Reifegrad man haben möchte, je nach Zucker-Konzentration von Wasser und Beeren. Das Ergebnis ist ein 100 Prozent perfekt Auslese, besser als jeder Rüttel- oder Sortiertisch. Diese Maschinen wurden inzwischen dramatisch verbessert, es gibt sie mit permanentem Wasseraustausch, mit Kühlung und vielen weiteren Schnickschnacks. Cathérine Papon-Nouvel hat noch die erste Maschine, die Alain Vauthier zuerst bei Ausone eingesetzt hat und die sie von ihm bekommen hat. Der Wein wird spontan im Stahl vergoren und in zu 50 Prozent in neuem Holz ausgebaut, zu 50 Prozent in gebrauchtem. Die Besitzerin Cathérine Papon-Nouvel gilt als eine der Großmeisterinnen der Cabernet Franc, die ja inzwischen immer mehr Einfluss gewinnt in Saint-Émilion, egal ob es Château Ausone ist, Château Cheval Blanc oder die Großmeister Château Jean Faure oder Château Coutet. Cathérine gehört auf jeden Fall dazu. Im Zuge der größeren Hinwendung zur Finesse ist die Cabernet Franc natürlich perfekt und speziell bei Biodynamikern und biologisch arbeitenden Betrieben sehr beliebt. Auch eignet sie sich hervorragend, um einen Teil unentrappt in die Vergärung zu geben. *** Wie in den meisten Regionen Europas lautet der Tenor auch in Bordeaux »2021 - zurück zur Klassik!«. Nach mehreren warmen Jahren in Folge kommt 2021 hier mit genialer kühler Eleganz und niedrigen Alkoholwerten um die Ecke. Sehr schick, fein, dabei aber auch so spannungsgeladen – ein absolutes Traumjahr für Finesse-Trinker. Die Weine zeigen viel aromatischen Fruchtdruck bei wirklich reifer Tanninstruktur durch die längere Vegetationsperiode. Ein großes Aufatmen unter allen Winzern, denn das Ergebnis ist quasi die Entschädigung für die harte Arbeit im Weinberg, die die Natur von Anfang bis Ende des Jahres von allen Beteiligten abverlangt hat. Hohe Niederschläge zu Beginn des Jahres, was gleichzeitig aber auch ein Segen für die trockenen Böden war. Dann nochmal ein Temperaturtief im April, schon nach dem Austrieb. Das Bordelais hat es aber nicht ganz so hart getroffen, die Frostschäden waren hier im Mittel nicht so verheerend wie in anderen Teilen Frankreichs, deshalb sind die Erträge insgesamt doch noch zufriedenstellend. Der Merlot ist außerordentlich edel, mit bemerkenswert konzentrierter Frucht, während der Cabernet unglaublich intensiv und frisch ist, was dem Jahrgang große Eleganz verleiht. Vielleicht in einer Reihe mit 2008, 2012 und 2014 mit seinen jung schon so verführerisch zugänglichen Weinen, die aber auch noch eine lange Zukunft vor sich haben.